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Di 13.06.
Verteidiger des Glaubens
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Von Christoph Röhl, D 2019, 92 Min, Filmbeginn 19:30 Uhr
Filmreihe: „Lebensläufe”
Kurzfilm: Spelunkers, von Kathrin Albers, Jim Lacy, Daniel Haude, Deutschland 2002, 4:55 Min.

Dieser Film ist eine Herausforderung, auch für Freunde des Genres, denn er stellt einen „tragischen Helden“ – so der Werbetext des Verleihdienstes – in den Mittelpunkt, dessen Tod am letzten Tag des Jahres 2022 seine Person noch einmal ins Weltgedächtnis zurückgerufen hat: Joseph Ratzinger, von 2005-2013 Papst Benedikt XVI. Er war der erste Inhaber dieses Amtes seit dem Mittelalter, der freiwillig zurücktrat. Warum? Weil er den Blick in den Abgrund, in den sich seine katholische Kirche durch den Missbrauchsskandal verwandelt hatte, nicht mehr ertragen konnte? Fühlte er sich überfordert von einer Würde, die er vermutlich nie angestrebt hatte, aber nicht abzulehnen wagte? Wollte er anderen, dafür geeigneteren eine Chance lassen, diesen Sumpf trockenzulegen, oder sich bloß aus der Affäre ziehen?

Man könnte es sich bei diesem Thema mit einer klaren Message einfach machen: Als prokatholische Apologie oder als antiklerikale Polemik. Christoph Roehl vermeidet beides. Die von ihm zusammengestellten Bilder zeigen sowohl die selbstgefällige Prachtentfaltung als auch die Brüchigkeitdieses auf Netzwerke alter Männer gestützten globalen Machtsystems. Seine InterviewpartnerInnen stehen dem umstrittenen Theologen entweder nahe, benennen seine Defizite oder kritisieren ihn scharf. Was für ein Mensch war der selbsternannte „Verteidiger des Glaubens“, der den Kampf schließlich aufgab? War sein Rücktritt ein Coup, ein Hilferuf, ein Offenbarungseid? War der bedeutende Theologen in realen Machtfragen seiner Institution wirklich so naiv, wie Wohlmeinende unterstellen, oder wollte er nur „von allem nichts gewusst haben“, wie so viele vor ihm im 20. Jahrhundert?

Darauf müssen sich die Zuschauenden ihren eigenen Reim machen. Christoph Roehl, der Regisseur, ist mit dem Thema aus verschiedenen Gründen eng verbunden: Nach eigener Aussage „atheistisch erzogen“, ist er der Sohn eines englischen Historikers, der sich jahrzehntelang mit einer anderen umstrittenen Gestalt beschäftigt hatte, Kaiser Wilhelm II.. 1989-91 war Roehl Tutor an der Odenwaldschule, über deren Missbrauchsgeschichte er 2010 eine Dokumentation und 2013 einen Spielfilm mit Ulrich Tukur drehte. 2018 dramatisierte er einen anderen Rücktritt – eben jenen des letzten Deutschen Kaisers 1918. 2019 folgte dann „Verteidiger des Glaubens“, 2021 verfasste er auch ein Buch zum Missbrauchsskandal.

Infos zum Regisseur unter https://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_R%C3%B6hl

Infos zum Film unter https://www.realfictionfilme.de/verteidiger-des-glaubens.html