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Bild: naxos-Moderator Andrej Bockelmann (r.) mit Julia Pesch, Klimaaktivistin bei Ende Gelände, und Alexis Passadakis, attac Frankfurt. 

Zum Großteil Corona-bedingt, ist das Kino am 10. März nur zu einem Viertel gefüllt. Es hätte schlimmer kommen können, da die gleichnamige, für den Abend geplante Dokumentation mit Mario Adorf auf Anraten seines Arztes kurzfristig abgesagt werden musste. Nicht informierte Besucher, die den Schauspieler hätten erleben wollten, wären möglicherweise verärgert abgezogen. So aber startete das naxos.Kino die Saison mit der Dokumentation „Die Rote Linie – Widerstand im Hambacher Forst“. Darin dokumentiert Regisseurin Karin de Miguel Wessendorf den Protest gegen die Vernichtung des Hambacher Forstes und den Widerstand gegen den Braunkohleabbau aus Sicht verschiedener Gruppen, die sich gemeinsam gegen den Energieriesen RWE stellen.  

Der Hambacher Forst ist zu einem Widerstand- Symbol gegen die bisherige Energiepolitik geworden. Die Auseinandersetzungen um die Räumung des Waldes im Herbst 2018 haben gezeigt, wie dringend die Diskussion um einen früheren Braunkohleausstieg für viele Menschen ist. Vor Ort diskutiert hatten naxos-Moderatoren Andrej Bockelmann und Wolf Lindner im anschließenden Filmgespräch mit Alexis Passadakis, attac Frankfurt, und Julia Pesch, Klimaaktivistin bei Ende Gelände, nach eigenen Angaben „ein europaweites Bündnis von Menschen aus vielen verschiedenen sozialen Bewegungen“ der Anti-Atom- und Anti-Kohlekraft-Bewegung

Für Bockelmann waren diverse Szenen im Film „unfassbar“. Gehe es um den Wald oder eher um ein politisches Symbol, fragte er nach. Laut Julia Pesch wolle die Kohlekommission wohl die Klimakrise bekämpfen. Die Erhaltung des Waldes sei „wünschenswert“. Jedoch seien die Kompromisse nicht ausreichend, um die Rodung des Hambacher Forstes mit den Pariser Klimazielen zu vereinbaren: „Das führt zum Tod des Waldes“.  

Passadakis, ebenfalls bei Ende Gelände engagiert, bezeichnete den Widerstand von Besetzern und Demonstranten als „strategische Entscheidung von Klimaaktivisten“. Klimagegner, Waldbesetzer und Ende Gelände hätten über Jahre hinweg einen sozialen Druck aufgebaut, gegen das Motto „Braunkohle gleich Energiesicherheit“. RWE hingegen habe sämtliche Ressourcen, um eigene Interessen durchzusetzen und sei somit „ein machtvoller politischer Akteur“, gegen den nur politischer Druck helfe. Pesch zufolge habe es Absprachen zwischen CDU, FDP und RWE gegeben, den Wald abzuforsten. Von ursprünglich 7000 Hektar seien derzeit nur noch 500 erhalten. „Das Ökosystem könnte noch erhalten bleiben“, sagte Passadakis, aber der Wald gehöre nunmal RWE. 

Hambacher Forst oder Wald? Es komme auf den Standpunkt an, meinte Pesch. Forst bedeute eine wirtschaftliche Nutzung, Wald hingegen meine im Grunde Urwald, der über Jahrhunderte ein Wald für alle Menschen gewesen sei. 

Als Protestaktion werde derzeit einmal pro Monat ein Waldspaziergang durchgeführt. Auch in den vom Aussterben bedrohten Dörfern fänden noch Demonstrationen statt. So habe eine Initiative eine Obstwiese als Bollwerk gegen die Rodung gekauft, berichtete Pesch. Auch Passadakis verwies auf geplante Ende Gelände-Aktionen in diesem Jahr, um weitere RWE-Aktivitäten zu blockieren. „Bei mir ist die Energie noch sehr groß, um zu retten, was noch zu retten ist“, auch wenn Klima, Flüchtlinge, Coronavirus und verstärkt aufkommender Nationalismus die Globalkrise verschärften. 

Rolf Henning

Zuletzt aktualisiert: 12. März 2020

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Im Bild v.l.n.r. Reinhard Müller, Leitender Redakteur, FAZ, ZDF-Moderator und Regisseur Claus Cleber, Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende „Die Linke“ im Hessischen Landtag, Florian Stritzke, Bundesvorstand Amnesty International, und Moderater Florian Schwinn, hr2.

Um die Grundwerte der menschlichen Zivilisation steht es weltweit nicht besonders gut. So umfassen die 30 Artikel der UN-Menschenrechtserklärung mehr als Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, das Recht auf freie Wahlen oder das Verbot von Folter und Sklaverei. Anlässlich des 70. Jahrestages der UN-Menschenrechtserklärung lief am 10. Dezember 2019 die Dokumentation „Unantastbar – Der Kampf für Menschenrechte“ von der Journalistin Angela Andersen und dem Filmemacher Claus Kleber.

hr2-Moderator Florian Schwinn war „von dem gezeigten Knäuel von Problemen überwältigt“ und fragte den Regisseur, was er mit dem Film bewirken wolle. Als Reporter wolle er Geschichten erzählen und damit auf Probleme aufmerksam machen: „Die Menschen, die sich für das Grundgesetz der Menschheit einsetzen, sollten im Mittelpunkt des Films stehen“, sagte Kleber. Erst im Schneideraum sei ihm klar geworden, wie ein Teilstück an ein anderes nahtlos anschließe und so den Film im Fluss halte.  

Strukturelle Probleme seien dafür verantwortlich, dass Menschenrechte in diversen Regionen mit Füßen getreten werden, meinte Florian Stritzke vom Bundesvorstand Amnesty International. Vor allem der Kampf um Freiheit müsse mit Leben gefüllt werden, auch und gerade durch namenlose Helden, ergänzte der Leitende FAZ-Redakteur Reinhard Müller. 

Janine Wissler griff das Beispiel Flüchtlingslager als Menschenrechtsverletzung in Diktaturen und Halbdiktaturen auf. „Unter krassesten Bedingungen setzen sich dort Menschen für Menschlichkeit ein“, beklagte die Fraktionsvorsitzende Die Linke im Hessischen Landtag. Jeder Staat sei dafür verantwortlich, dass innerhalb seiner Grenzen die Menschenrechte eingehalten werden, warf Schwinn ein. Als Beispiele für die Verletzung von Menschenrechten bezog er sich auf Filmszenen aus China, Bangladesch, Gambia, Guatemala, Ungarn, Polen und der Türkei. In China verzichte man auf Menschenrechte, meinte Müller, da es den Menschen dort anscheinend gut gehe, so dass dort das Prinzip „nicht auffallen, sondern mitmachen im Sinn der Regierung“ gelte. 

Kleber verwies auf Menschenrechtsverletzungen in Augsburg, auf den Breitscheidplatz in Berlin und auf Chemnitz und fragte rhetorisch, wie viele Beispiele dieser Art sich in Deutschland noch ereignen müssten, um ähnliche Zustände herzustellen. Schwinn zitierte in diesem Zusammenhang eine Umfrage, nach der rund 40 Prozent der Deutschen meinten, sie würden es begrüßen, wenn sie das Verhalten ihrer Nachbarn überwachen könnten. Die Menschenrechte seien also immer nur so stark, wie die Menschen, die dahinter stehen. Kleber zitierte er einen türkischen Journalisten aus seinem Film, der an einer Stelle sagte: "Du kannst nicht Journalist sein, wenn Du Angst hast“. Deshalb sei eine freie Presse unabdingbar. 

Auch international tätige Konzerne müssten dafür haften, dass ihre Produktion in der Dritten Welt fair und menschenrechtlich korrekt ist, so Müller. Im Zweifelsfall müsse die Politik stärker darauf einwirken. Wissler zufolge sollte insbesondere den Konsumenten, die Billigprodukte kaufen, bewusst sein, dass diese oft unter menschenunwürdiger Ausbeutung hergestellt würden. Gleichzeitig stellte sie die Ausbeutung illegaler Arbeitskräfte auf deutschen Baustellen mit einem Stundenlohn von einem Euro an den Pranger. 

Die Globalisierung habe dazu geführt, dass rund 400 Millionen Menschen innerhalb der letzten zehn Jahre hungern, in Armut und auf der Flucht lebten, so Kleber abschließend und sagte mit leichtem Unterton „Ich wünsche mir, dass ich wie die unterdrückten Menschenrechtler handeln würde, wenn es hier hart auf hart käme – theoretisch“.

Zuletzt aktualisiert: 12. Dezember 2019

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Bild: v.l.n.r. naxos-Moderator Henning Meumann mit Regisseur Jerry Rothwell und Volker Gaßner, Head of Agenda Setting and Rapid Response bei Greenpeace Deutschland.

„´How to Change the World` ist keine Doku von Greenpeace. Es ist vielmehr die Entstehungsanalyse einer Organisation, die mit ihrer Art von Medienarbeit enorme öffentliche Wirkung erzielt hat.“  So eröffnete Regisseur Jerry Rothwell das Filmgespräch am 12. November 2019 im naxos.Kino.

In seiner Doku  von 2015 rekonstruiert er aus alten Filmaufnahmen der 1970/ 80-er Jahre und aktuellen Interviews mit den jeweiligen Protagonisten die ersten zehn Jahre von Greenpeace in Kanada: Die Entwicklung von einer spontanen Gruppe zu einer hierarchischen Organisation. Darin fungiert die so genannte „Mindbomb" als Methode der medialen Inszenierung, aus der sich langfristig auch der Wandel von einer Friedens- und Umweltbewegung hin zu einer Kampagnen-Organisation vollzieht.

Das bestätigte Volker Gaßner. „Wir setzen heute Themen auf die Agenda, die wir für wichtig halten“, so der Head of Agenda Setting and Rapid Response bei Greenpeace Deutschland. Response bedeute dabei die sofortige Reaktion auf Umweltschäden und Unfälle. naxos-Moderator Henning Meumann wollte wissen, ob Gaßner damit nicht das ursprüngliche Anliegen der Organisation fortsetze. Emotionen seien wirkungsvoller als Fakten, meinte Letzterer, denn sie bewegten die Menschen direkt. Darüber hinaus seien die technischen Möglichkeiten heute weitaus professioneller.  „Über Soziale Medien kann Greenpeace einen großen Druck ausüben, mit dem zahlreiche Individuen mobilisiert werden“, fügte Rothwell hinzu.

Meumann erinnerte an die Gründung von Greenpeace International 1979. Heute liegt deren Sitz in Amsterdam mit rund 300 Millionen Euro an jährlichen Einnahmen. Davon fließen zwei Drittel in Kampagnen und ein Drittel in die Verwaltung. Wie Greenpeace denn heute die Welt retten wolle? Gründer Bob Hunter sei ursprünglich regional/ national ausgerichtet gewesen, etwa  gegen die damaligen Atomtests in Alaska und habe sich vom Reporter zu einem Aktivisten gewandelt, erläuterte Rothwell. Greenpeace gegen eine Nation sei nicht mehr ein Kampf zwischen David und Goliath, wie es etwa noch die Aktionen gegen das massenhafte Abschießen von Walen durch japanische Fangflotten war. Inzwischen sei ein deutlicher Strategiewechsel vollzogen. Gaßner zufolge verfügt allein Greenpeace Deutschland über sechs Kampagnenteams mit sechs Themen. Diese hätten die Freiheit, eigenständig Kampagnen zu entwickeln: „Wir sind im Lauf der Zeit basisdemokratischer geworden, was die Führung ausdrücklich unterstützt“. Jede gute Idee werde aufgegriffen, diskutiert und dann entschieden. Dazu Regisseur Rothwell: „Man braucht  Themen und man braucht Menschen dazu, die sich für diese Themen engagieren“.

Zuletzt aktualisiert: 13. November 2019

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Bild: Regisseur Stephan Hilpert mit der Frankfurter Produzentin, Regisseurin und Verleiherin Julia Peters, die für die kurzfristig erkrankte Barbara Köster vom naxos.Kino die Moderation übernommen hatte.

Goma ist mit 500.000 Einwohnern eher eine Kleinstadt in der Demokratischen Republik Kongo. Im äußersten Osten des Landes ein paar Kilometer von Ruanda gelegen, gilt es aufgrund der Bürgerkriege und Naturkatastrophen als ein „heißes Pflaster“. Deshalb sei Goma ein idealer Platz für westliche Entwicklungshilfe, so die dort seit Jahrzehnten aktiven westlichen NGOs. „Wir wollten uns mit unserem Film auf die zwischenmenschlichen Beziehungen dort konzentrieren, nicht aber auf Projekte der Entwicklungshilfe“. Das sagte Regisseur Stephan Hilpert im Filmgespräch am 5. November 2019 im naxos.Kino. Es lief „Congo Calling“.

Wie er denn zu diesem Projekt gekommen sei, fragte Moderatorin Julia Peters. Ausgangspunkt sei die Freundschaft zwischen Hilpert und dem spanisch-französischen Wissenschaftler Raul, der vor Ort mit universitären Forschungsgeldern eine Gruppe kongolesischer Assistenten finanziert. „Über Raul bin ich mit der dortigen Entwicklungshilfe in Berührung gekommen, bin aber der Letzte, der diese Thematik beurteilen kann“, so der Regisseur.

Näheren Kontakt bekam er auch zu dem Deutschen Peter, der mit 65 Jahren zu alt für einen Posten in den Strukturen der deutschen Entwicklungshilfe war, sowie zu der Belgierin Anne-Laure, die nach Jahren in der Entwicklungspolitik nun ein Musikfestival organisiert. Sie ist mit einem einheimischen Regimekritiker liiert, der regelmäßig Probleme mit dem autokratischen Regime bekommt. Über zwei Jahre hat Hilpert das Trio begleitet. Ohne ein im Vorfeld geplantes Ergebnis filmte er die Entwicklungshelfer bei ihrer Arbeit, ihre Begegnungen mit Einheimischen, die schönen und weniger schönen Seiten des Hilfeleistens. Die Drehzeit bezeichnete Moderatorin Peters als einen langen Prozess, der sich wohl über zwei Jahre hingezogen habe. Der Regisseur bezeichnete den angesprochenen Prozess als „einen europäischen Blick auf den Kongo“. Die Vertreter der Entwicklungshilfe habe man durch Zufall getroffen.

Dann sprach Peters eine Szene mit den Rebellen an. Das sei eine „heikle Sache“ gewesen, so Hilpert, denn seine Fragen seien bereits zuvor festgelegt worden. „Wer sich dagegen stellt, bekommt Probleme.“ Mitglieder der paramilitärischen Rebellengruppe RDC Rénové erklären vor der Kamera, wie sie Menschen mit Peitschenhieben und Musik zum Aufbau einer Landwirtschaft zwingen.

Aber als Filmteam sind wir überall herzlich aufgenommen worden, mit vielen Einladungen zu privaten Feiern.“ Darüber hinaus sei Magie dort ein großes Thema: „Deshalb können wir den Ort auch nicht komplett verstehen“. Aber die Menschen dort wüssten schon, was man tun müsse, um über die Runden zu kommen. Er sei jedenfalls sehr gespannt, wie sein Film im Kongo ankommen werde.

„Dieser stellt die Zusammenarbeit zwischen Europäern und Afrikanern nicht grundsätzlich infrage. Ihm gelingen auch vielsagende Bilder und Randbeobachtungen darüber, wie hilfreich europäische Hilfe tatsächlich ist. Zum Teil haarsträubende Beispiele verdeutlichen, wo die Sollbruchstelle von Entwicklungshilfeprojekten zu finden ist. Ohne Off-Kommentare mit erhobenem Zeigefinger deutet der Film jedoch an, wo und wie Gelder versacken“, so Epdfilm vom 26.7.2019.

Zuletzt aktualisiert: 07. November 2019

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Bild v.l.n.r.: Dr. med. Julia Fries, seit 13 Jahren in der sexuellen Aufklärung für die Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e.V. aktiv, Dr. Mariame Racine Sow, Geschäftsführerin von FORWARD-Germany e.V. und naxos-Moderation Marianne Spohner.

Am 12. März hatte das naxos.Kino sein Programm 2019 eröffnet. Es lief „#Female Pleasure“, eine Dokumentation von Barbara Miller aus dem Jahr 2018, die schildert, wie universell und alle kulturellen und religiösen Grenzen überschreitend die Mechanismen greifen, die die Situation der Frau – egal in welcher Gesellschaftsform – bis heute bestimmen. Sie ist ein Plädoyer für das Recht auf Selbstbestimmung und gegen die Dämonisierung der weiblichen Lust durch Religion und gesellschaftliche Restriktionen.

Fünf selbstbewusste Frauen brechen darin das Tabu des Schweigens und der Scham, das ihnen die Gesellschaft oder ihre religiösen Gemeinschaften mit ihren archaisch-patriarchalen Strukturen auferlegen. Das Publikumsinteresse war schon damals enorm. Leider konnten wir zahlreichen Interessenten*Innen keinen Platz mehr bieten, so dass wir versprachen, den Film noch in diesem Jahr zu wiederholen. Dieses Versprechen haben wir am 15. Oktober 2019 eingelöst: 170 überwiegend junge Besucher*Innen, volles Haus, ausverkauft!

Mit einer unfassbaren positiven Energie setzen sich die fünf Protagonistinnen für sexuelle Aufklärung und Selbstbestimmung aller Frauen ein: hinweg über jede gesellschaftliche sowie religiöse Normen und Schranken. Dafür zahlen sie einen hohen Preis – sie werden öffentlich diffamiert, verfolgt und bedroht. Von ihrem ehemaligen Umfeld werden sie verstoßen und von Religionsführern und fanatischen Gläubigen sogar mit dem Tod bedroht. Gleichzeitig zeigen die fünf Frauen, wie mit Mut, Kraft und Lebensfreude jede Struktur verändert werden kann.

Dr. Mariame Racine Sow, Geschäftsführerin des 1997 gegründeten FORWARD-Germany e.V. betonte im Filmgespräch, wie wichtig es sei mit der Öffentlichkeit und insbesondere mit Betroffenen über das Thema zu reden: „Prävention ist die Vorstufe zu Gleichstellung“. Gesellschaftliche Formationen und religiöse Hintergründe seien auf Gewalt und Überleben fokussiert. „Zum Überleben muss eine Population zunehmen“, sagte sie, das führe zu frühen Verheiratungen junger Mädchen mit 13 Jahren.

Dr. med. Julia Fries, Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e.V., konnte die Verzweiflung der von Beschneidung betroffenen jungen Frauen nachvollziehen. Positiv bewertete sie jedoch, dass die Hauptpersonen „viel Energie versprühen, um ihre Sexualität genießen zu können“. So suche sie Schulen auf, um Mädchen frühzeitig aufzuklären, biete aber auch Veranstaltungen für Frauen an, über die sie versuche, auch Väter und Jungen in den Familien zu erreichen. Auch Männer wüssten nicht alles über Sex, hielten Schmerzen bei Frauen oftmals für normal, so Sow: „Deshalb brauchen auch Männer Zugang zu sexueller Information“.

Das bestätigten einige Vertreter der Offenbacher HeRoes in einem Rollenspiel. Bei der Gruppe handelt es sich um junge Männer und Mädchen zwischen 16 und 21 Jahren mit Migrationshintergrund, die sich aktiv gegen „Unterdrückung im Namen der Ehre und für Gleichberechtigung“ einsetzen. Thema: Sexismus, Jungfräulichkeit und Dominanz durch Männer. Das feministische Gewaltpräventionsprojekt wurde als Folge des ersten sog. Ehrenmordes gegründet, so die Projektleiterin. Ziel sei ein neues Rollenverständnis von Männlichkeit.

Frauen- und Männergruppen müssten jedoch nach Ansicht von Frau Sow einen Austausch durch Diskussion entstehen lassen. Bildung und Kommunikation seien genau der Punkt für eine Verständigung. Körperliche Gesundheit sei gegenüber dem pädagogischen der Ansatz der Ausgangspunkt von Frau Fries als Ärztin: „Körperliche Gesundheit ist mein medizinischer Anspruch und Standpunkt. Dabei beziehe ich mich auch auf bestehende Gesetze“. Sie bemängelte, dass junge Mädchen oft ihr eigenes Geschlechtsorgan nicht benennen könnten: „Der Begriff Vulva ist ihnen fremd. Den Begriff Schamlippen kennen noch einige, haben jedoch keinerlei Vorstellung über unterschiedliche Ausprägungen. Das Thema Klitoris wird totgeschwiegen“. Konkrete Aufklärung finde auch in den Biologie-Schulbüchern nicht statt, bemängelte die Medizinerin. Ihren Aufklärungsansatz veranschaulichte sie nachhaltig anhand einer Stoffvulva (s. Foto). Um Gleichstellung durch Aufklärung herbeizuführen, sei eine interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig, so Frau Sow, also eine Zusammenarbeit von Psychologen, Pädagogen, Medizinern und Juristen.

Zuletzt aktualisiert: 17. Oktober 2019

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v.l.n.r.: Christian Janecke, Professor für Kunstgeschichte, Hochschule für Gestaltung Offenbach, Reinhild Bernet, Moderatorin naxos.Kino und Wolfgang Volz, seit 1971 Projektmanager und exklusiver Fotograf der Christo-Projekte.
Foto: Ariane Gülich Christos

Viel Gesprächs“Stoff“, der da in 45 Minuten Filmgespräch unterzubringen war. Christo hat gemeinsam mit seiner 2009 verstorbenen Frau Jeanne-Claude viele spektakuläre Verhüllungs- und Gestaltungsaktionen von Gebäuden, Parks und ganzen Landstrichen in Angriff genommen. Es gibt kaum einen zweiten Künstler, der medial so umfassend dokumentiert ist wie der einstige Flüchtling aus Bulgarien.

Der rote Faden aber für das Gespräch mit Fotograf und Christo-Mitarbeiter Wolfgang Volz und Kunsthistoriker Christian Janecke von der Offenbacher Hochschule für Gestaltung, auf den naxos.Kino - Moderatorin Reinhild Bernet immer wieder beharrlich hinwies, war der neue Dokumentarfilm „Christo – Walking on Water“, ein spannendes Werk über Christos Mammutprojekt „Floating Piers“, bei dem im Jahr 2016 die Besucher vor dem Bergpanorama der Alpen buchstäblich übers Wasser des Iseo-Sees laufen konnten - 3,5 km lange schwankende Stege in leuchtend gelbe Stoffbahnen eingewickelt, die zwei Inseln mit dem Ufer über Pontons verbanden, machten es möglich. Über eine Million Besucher nutzten damals die Chance, über das Wasser des Iseosees zu gehen. Wer nicht dabei war, mochte im Nachhinein neidisch werden.

Die naxos.Kino - Gäste - bis auf wenige Ausnahmen damals nicht vor Ort - konnten den vorzüglich gemachten Film nichtsdestotrotz in vollen Zügen genießen, bietet "Christo - Walking on Water" doch weit mehr als ein filmisches Surrogat des verpassten Kunsterlebnisses. Der bulgarische Regis­seur Andrey Paou­nov zeigt die Mühen der Realisierung, den nervenaufreibenden Entstehungsprozess eines gigantischen Kunstwerkes - gleichzeitig porträ­tiert er seinen damals 81-jähri­gen Landsmann, den exzentrischen und kompromisslosen Ausnahmekünstler Christo.

Kaum irgendwo ist die stimmige Perspektive so wichtig wie beim Künstlerfilm. Diesen Respekt vor dem Künstler und seinen Intentionen sieht man auch "Walking on Water" in jedem Filmbild an. Christo erscheint im Film weder als Heiland noch Zauberer, sondern als Realisator eines hochkomplexen, von technischen, witterungsbedingten wie lokalpolitischen Hindernissen erschwerten Vorhabens. Dramaturgisch geschickt enthüllt Paounov die verzweigte Gesamtanlage erst in den letzten Minuten. Christo steigt in einen Hubschrauber, um sein Werk aus großer Höhe zu betrachten. Die zuvor gezeigten Drohnenbilder sind aus geringerer Distanz gefilmt.

Aus 700 Stunden Filmmaterial, das zehn Kamerateams bereits produziert hatten, fertigte er diesen Film an, bei dem viele sich fragen, Gesprächsgast Wolfgang Volz wies darauf hin, ob das denn tatsächlich eine Dokumentation sei oder nicht gar ein Spielfilm.  „Man darf sich nicht täuschen lassen, nur weil der Film ohne Erzäh­ler und Inter­view­s auskommt und von einem stim­mungs­vol­len Soundtrack vorangetrieben wird“. Tatsächlich ist es eine lupenreine Doku, denn die vermeintlichen Schauspieler sind „echt“ und gehören teilweise zum Projekt-Stab: Christos Neffe Vladimir, der nach Jeanne-Claudes Tod die Rolle des Projektkoordinators eingenommen hat und eben der in Stockholm ansässige Fotograf Wolfgang Volz, seit 1971 Christos „Auge“ und Projektmanager, der im wahrsten Sinnes des Wortes aus dem „Nähkästchen“ plauderte und mit allerlei Anekdoten und Insider-Informationen aufwarten konnte.

Volz erläuterte unter anderem, dass Christo die Bezeichnung "Verpackungskünstler" genauso unpassend fände wie die Zuordnung zur sogenannten „Land Art“. Christo ist in den 60er Jahren aus einem kommunistischen Land geflohen und lehnt deshalb jede Art der Vereinnahmung seiner Kunst ab. Überhaupt sei Freiheit ein zentraler Begriff bei ihm.

In Paris fand er Anfang der 60er Jahre Anschluss an die französische Künstlergruppe der "Nouveaux Réalistes", der neuen Realisten, erläuterte Christian Janecke, Kunsthistoriker an der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Auch sie wollten die Wirklichkeit mit anderen Augen sehen und die Gesellschaft aufrütteln. Das taten die Künstler, indem sie mit neuen Techniken und Materialien Objekte aus der Realität in die Kunst integrierten und verfremdeten. In den 60er Jahren, einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, hatte das eine politische Dimension. Der geografische Raum wurde in ein Kunstwerk verwandelt, das man nicht besitzen konnte. Ein Protest gegen das Besitzbürgertum. 

Diese Idee der freien Kunst schwinge heute in Christos Werken kaum noch mit. Eindrücklich verwies der HfG-Professor in diesem Zusammenhang auf die ausufernde Profitgier der Touristik-Unternehmer, die das Iseo-Projekt mit den „angekarrten“ Menschenmassen fast zum Kippen gebracht hätten. Paradox sei auch, dass Christos nur temporär zu erlebende Kunstwerke in der freien Natur zwar öffentlich und für alle kostenfrei zugänglich sind, auf der anderen Seite aber die Mechanismen des Kunstmarktes bedienten. 15 Millio­nen Euro soll das gigantische Kunstwerk am Iseo-See gekos­tet haben, die komplett aus den Erlö­sen von Chris­tos Verkäu­fen finan­ziert wurden.

Der Film zeigt Christo, wie er die vielen Vorstudien zeichnet, mit deren Verkauf er das Projekt ohne Sponsoring aus eigener Tasche finanziert, mit Krediten, die er mit Kunstwerken und millionenfach verkauften Repros abzahlt. In einer anderen Szene sieht man einen Kunstsammler, der mit einem Motorboot der Marke Riva, dem Inbegriff maritimen Luxus, über den Iseo-See zur Insel Monte Isola gekommen ist - zu spät. Er möchte eine Zeichnung erwerben und ist bestürzt, dass das Format, für das er kürzlich noch 220.000 Euro zahlen sollte, nun das Doppelte kostet. Christo erklärt ihm, dass die zur Verfügung stehenden 40 Bilder während der 16-tägigen Kunstaktion eben jeden Tag teurer werden. Dieser Ambivalenz des Kunstbetriebs könne sich auch das „System Christo“ nicht entziehen, so Kunsthistoriker Janecke. Bericht: Reinhild Bernet, naxos.Kino

Zuletzt aktualisiert: 30. September 2019

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Bild: naxos-Moderatorin Hilde Richter (r.) mit Silvia Winkler, Geschäftsführerin Oikocredit Förderkreis Hessen-Pfalz, und Jörg Weber, Sprecher Ernährungsrat Frankfurt.

Äthiopien ist von einer lebensbedrohlichen Hungersnot betroffen. Die Regierung verpachtet hingegen Millionen Hektar Land an ausländische Investoren in der Hoffnung auf Exporteinnahmen. Insbesondere im äußersten Westen Äthiopiens ließ der saudische Milliardär Mohammed Al Amoudi im Nationalpark für seine Firma Saudi Star zehntausend Hektar Urwald roden: Landraub an Kleinbauern, um Basmatireis für den Export anzubauen und zu verarbeiten. Zur Beschaffung von Devisen lädt die Regierung auch noch internationale Investoren großzügig ein und nennt das Agrarentwicklung und Fortschritt. In der Dokumentation „Das grüne Gold” ging es am 17. September 2019 im naxos.Kino um die global grassierende Ausbeutung von Kleinbauern in einem Entwicklungsland. Der Film lief als Beitrag zur „Faire Woche“ mit Unterstützung der GLS-Bank.

naxos-Moderatorin Hilde Richter stellte die entscheidende Frage, warum ein hungerndes Land Nahrungsmittel in die Welt exportiert. Silvia Winkler, Geschäftsführerin Oikocredit Förderkreis Hessen-Pfalz, machte in dem Landverkauf an Investoren deren Ziel einer Gewinnmaximierung ohne Rücksicht auf die Bevölkerung aus. „Finanzkapital und Investoren beuten ein Land aus für Profit“. Hier seien häufig Großkonzerne involviert, meinte Jörg Weber, Sprecher Ernährungsrat Frankfurt: „Die Armen haben keine Chance, sich zu wehren“. Er räumte jedoch ein, dass z.B. auch in der Wetterau Höfe mit konventioneller Landwirtschaft nicht mehr überleben könnten und deshalb chemische Bodenentwickler aufgreifen. Wenn da ein Hof nicht mitziehe, entstünden dort sog. Logistikcenter anstelle von Landwirtschaft.

„Geld ohne Zinsen sucht heute neue Anlageformen mit Renditeversprechen, Sparen ist deshalb vorbei“, bestätigte Winkler. Man müsse deshalb Regierungen Randbedingungen zu fairen Konditionenschaffen schaffen durch die Einbeziehung von Menschenrechts- und Kleinorganisationen in den Protest. Sie zitierte den Weltbanksprecher aus dem Film, der meinte, es gebe immer Verlierer und Gewinner, „romantische Genossenschaften“ seien keine Alternative. „Großbanken im Hintergrund machen jedoch persönliche Einflüsse nahezu unmöglich.“ Weber kam zur regionalen Landwirtschaft zurück und kritisierte, dass z.B. Demeterland in Marburg heute zum doppelten Preis verkauft werde, ohne zu wissen, was dort nach einigen Jahren noch übrig bleibe. Insofern müsse der Einzelne entscheiden, ob er von einer Groß- zu einer Kleinbank wechsele: „Die Leute müssen Forderungen nach einer besseren Welt aufstellen. Solchen Leuten müssen wir Mut machen“.

Zuletzt aktualisiert: 18. September 2019

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v.l.n.r.: naxos.Kino-Moderatorin Reinhild Bernet (Mitte) mit Katharina Stier (Stabsstelle Mieterschutz, Amt für Wohnungswesen Frankfurt); Susanne Heeg (Professorin für Geographische Stadtforschung, Institut für Humangeographie Frankfurt); Lisa Hahn (Mietentscheid Frankfurt (Mietentscheid Frankfurt) und Michael Boedecker (Mieterinitiative NBO). Foto: Imken Martin

Wege aus der Wohnungskrise: Der neue Dokumentarfilm von Regisseur Fredrik Gertten untersucht, warum wir es uns nicht mehr leisten können, in unseren Städten zu wohnen.

Der Film folgt Leilani Farha, der UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf Wohnen, wie sie die Welt bereist, um herauszufinden, wer aus der Stadt gepusht wird und warum.Er wirft ein Licht auf eine neue Art des anonymen Hausbesitzers, auf unsere immer weniger bewohnbaren Städte und eine eskalierende Krise, die uns alle betrifft. 

Bezahlbare Wohnungen werden zum Luxusartikel und sind beliebte Objekte für Spekulanten. Während die Mietpreise in die Höhe schnellen, tun die Einkommen das nicht. Langzeitmieter werden aus ihren Wohnungen herausgedrängt. Nicht einmal Krankenpflegende, Polizisten und Feuerwehrleute können es sich leisten, in den Städten zu leben, in denen sie helfen sollen.

Nach einem Einwurf von  Susanne Heeg, Humangeographin an der Goethe-Universität, zur Finanzialisierung des Sozialwohnungsbaus in Mexiko - wodurch Mieter gezwungen werden, bis zu drei Stunden einfachen Arbeitsweg in Kauf zu nehmen - bestimmten die aktuellen Frankfurter Debatten rund um Mietendeckel, Enteignung, Milieuschutz, Mietentscheiden und ABG  thematisch das Filmgespräch. Den Kinogäste konnten Tipps und Hilfestellungen an die Hand gegeben, wie sie sich zur Wehr setzen und was zu tun sei.

Gesprächsgast Michael Boedecker, NBO Nordend, Bornheim, Ostend, gehört zu den Gründungsmitgliedern einer der Initiativen, die in Frankfurt rund ums Thema Wohnen, Mieten und bezahlbaren Wohnraum agieren. Er berichtete vom Fall Grüne Straße 30, ein Fall, der Aufsehen erregte und Alltag ist in Frankfurt, der Stadt, in der Wohnraum schon lange zum Spekulationsobjekt geworden ist. Zwei Kaufleute erwarben im Dezember 2017 das Haus Grüne Straße 30 und meldeten kurze ZeIt später Eigenbedarf an. Doch die Investoren hatten übersehen, dass neuerdings in diesem Teil des Frankfurter Ostends eine städtische Milieuschutzsatzung galt. Sie besagt unter anderem, dass Wohnungen nur bis zu einer Größe von 130 Quadratmetern addiert werden dürfen. Das Ganze eskalierte bis zur Räumungsklage. Das Amtsgericht entschied für die Mieter und stützte sich ausdrücklich auf die neue Milieuschutzsatzung.

Der Erhalt von bestehendem und bezahlbarem Wohnraum sei auch ein Thema bei der Stadt Frankfurt und Aufgabengebiet von Katharina Sier, der stellvertretenden Amtsleiterin. Um Mieter und Mieterinnen besser vor Spekulationen und Entmietung zu schützen hat das Amt für Wohnungswesen im April die „Stabsstelle Mieterschutz“ gegründet.  Sie unterstützt Hausgemeinschaften, die von Eigentümerwechsel und umfangreichen Modernisierungsankündigungen betroffen sind und damit verbundene Entmietungsstrategien befürchten.

Lisa Hahn vom Mietentscheid verdeutlichte, wie momentan der Druck auf die Stadtregierung wachse, einen Bürgerentscheid  –  den gut 25 000 Frankfurter mit ihrer Unterschrift gefordert haben – zur Geschäftspolitik der städtischen Wohnungsgesellschaft ABG zuzulassen. Ziel des Bürgerbegehrens sei, dass die Frankfurter über eine Neuausrichtung der Geschäftspolitik der ABG abstimmen dürfen, der etwa 53. 000 Wohnungen gehören. Dann könnten sie darüber entscheiden, ob diese nur noch geförderten Wohnraum errichten solle, die Mieten aller Bestandsmieter, die Anspruch auf eine Sozialwohnungen haben, auf maximal 6,50 Euro pro Quadratmeter senke und frei werdende Wohnungen zum Preisniveau des geförderten Wohnungsneubaus vermieten solle.

Die NBO wies darauf hin, dass allein im vergangenen Jahr über 700 Wohnungen in Frankfurt aus der Sozialbindung gefallen sind. Dieses Jahr verlören 975, nächstes Jahr weitere 760 Wohnungen die Bindung. Schon das zeige, dass eine Kurskorrektur notwendig sei. Wie Boedecker ausdrücklich betonte, fordert die NBO den Magistrat auf, den „Mietentscheid“ nicht auf juristischem Wege auszubremsen. Der Magistrat habe sich noch nicht zu der Frage geäußert , ob er den Bürgerentscheid für rechtlich möglich und umsetzbar hält. Die Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und Grünen lehnen die Forderungen des Mietentscheids ab. In ihren Augen seien sie wirtschaftlich nicht umsetzbar. 

Bericht: Reinhild Bernet, naxos.Kino

Zuletzt aktualisiert: 27. September 2019

Anlässlich des Antikriegstags vom 1. September wiederholen wir heute, am 3. September 2019, den Dokumentationsfilm „Vom Töten leben“. Die Dokumentation ist Teil unseres neuen Projekts „SPIEL.DOK“. Darin zeigen wir zu einem Thema – in diesem Fall „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ (Paul Celan) – jeweils einen Dokumentarfilm im naxos.Kino und zwei Tage später, also am 5. September, einen Spielfilm – in diesem Fall „Meister des Todes“ – um 20.15 Uhr im Frankfurter Filmmuseum. Filmemacher Wolfgang Landgraeber wird zum Filmgespräch als Gesprächspartner ins naxos.Kino kommen. Am 10. Mai 2017 hatten wir die Dokumentation bereits gezeigt (s. unsere Website). Damals war neben Landgraeber. der 80jährige Ulrich Pfaff zu Gast, ehemaliger Diakon und Religionslehrer aus Altoberndorf.

Zuletzt aktualisiert: 03. September 2019

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Bild: Stefanie Landgraf, Autorin, Regisseurin und Kommunikationswissenschaftlerin, und Abraham Melzer, linker israelischer Publizist der unabhängigen jüdischen Online-Zeitschrift „Der Semit", während des Filmgesprächs im naxos-Bistro mit den Besuchern und Moderator Wolf Lindner (r.).

„Israelis und Palästinenser, die Geschichte ist nicht nur eine Wahrheit. Du musst auch die Geschichte Deines Feindes kennen“, eröffnete der israelische Publizist Abraham Melzer das Filmgespräch am 27. August 2019. Der viel beachtete und als Unterrichtsmaterial eingesetzte Dokumentarfilm „Liebe Grüße aus Nahost“ beschreibt die Reise einer Gruppe junger Deutscher durch Israel und das besetzte Westjordanland. Dort erleben die 16- bis 22-jährigen ein Gebiet, das sie aus den Medien als Region der Kriege, Terrorakte und Flüchtlingsschicksale kennen. Es wird eine Reise in zwei Wirklichkeiten: zwei Völker, eine Geschichte – zu ihrem Erstaunen völlig unterschiedlich von Israelis und Palästinensern erzählt.

Die Geschichten beider Gruppen seien zu unterschiedlich, man müsse daher „das Narrativ des anderen kennenlernen“, so Melzer weiter. „Deshalb haben wir beide Seiten zu Wort kommen lassen“, sagte Regisseurin Stefanie Landgraf. Ihr Team mit Ko-Regisseur Hannes Gulde hätte durchaus brutale Bilder zeigen können, was aber nicht das Anliegen des Films war. Vielmehr wollte man Gespräche und Kooperationen zeigen. Auch wenn der Film eine Kritik an israelischer Politik sei, so sei er keineswegs als Propaganda pro Palästina zu verstehen.

Warum Israel so aggressiv sei? „Weil es die Welt zulässt und es die deutsche Gesellschaft über Medienberichte akzeptiert“, antwortete Melzer. Die Palästinenser hätten die Juden nach 1945 aufgenommen und nie gedacht, eines Tages von ihnen vertrieben zu werden. Dabei gehöre den Palästinensern das Land. Insgesamt ziele der Film darauf ab, sowohl die israelische als auch die palästinensische Propaganda zu entlarven, da es innerhalb beider Seiten Bereitschaft zur Annäherung gebe.

„Im Fernsehen dürfen wir den Film nicht senden“, kritisierte die Regisseurin. Deshalb sei sie in die Schulen gegangen und zeige dort ihr Medienpaket. „Denn über den Nahen Osten wird an Schulen nichts behandelt. Es herrscht ein Nullwissen.“ Immerhin hätte ein Großteil der Schulen ihre Dokumentation inzwischen angenommen und eingesetzt.

Zuletzt aktualisiert: 30. August 2019