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Die Sonneninsel: Wachstumsdenken versus Gemeinwohl – oder nur eine Liebes- und Familiengeschichte?

Bild: naxos.Kino Moderator Gerd Becker (r.) diskutierte mit Prof. Thomas Elsaesser (M) und Dr. Konrad Elsaesser (l.) sowie den Besuchern über den Film „Die Sonneninsel“.
In den 1920er Jahren steht Liesel Elsaesser zwischen zwei Männern: Sie ist mit dem Architekten Martin Elsaesser verheiratet, liebt aber gleichzeitig den Architekten Leberecht Migge. In seinem Essayfilm „Die Sonneninsel“ schildert Thomas Elsaesser, Enkel von Martin, die Liebes- und Familiengeschichte unter Verwendung privater Filmaufnahmen und Dokumente aus dem Familienarchiv. Das naxos-Kino zeigte den Film am 8. Mai 2018. Martin Elsaesser (1884-1957) prägte als Stadtbaudirektor (1925 bis 1935) von Frankfurt die Architektur der Stadt (insbesondere die Großmarkthalle) entscheidend. Leberecht Migges' Interesse hingegen galt hauptsächlich der Garten- und Landschaftsarchitektur. Auf der „Sonneninsel" in der Nähe von Berlin versuchte er mit Liesels Unterstützung, seine Idee von sozialem Ausstieg und Selbstversorgung umzusetzen. Dort begegneten sich auch die beiden Männer. Zum Filmgespräch kamen zwei Gäste aus der Familie. Thomas Elsaesser (75) ist Professor für Film- und Fernsehwissenschaften an der Universität von Amsterdam. Als Enkel des Architekten Martin Elsaesser ist er ein Vertreter der internationalen Filmwissenschaft, dessen Bücher und Essays in mehr als 20 Sprachen erschienen sind. Neben ihm saß Konrad Elsässer (70), Großneffe von Martin Elsaesser. Er ist Geschäftsführer der Martin-Elsaesser-Stiftung, einer 2009 in Frankfurt gegründeten, gemeinnützigen Einrichtung, die dem ideellen und baulichen Erbe Martin Elsaessers verpflichtet ist. Themenmittelpunkt ist die Reflexion der konträren architektonischen Konzepte Elsaessers und Migges: hier das Bauen im Geiste des kapitalistischen Wachstumsdenkens, dort eine Stadtplanung, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist und auf Ideen zurückgeht, die bis heute in der grünen Bewegung fortleben. „Ausgangspunkt für den Film war die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), das von ihr erworbene Gebäude der Frankfurter Großmarkthalle, das unter Denkmalsschutz steht, so stark baulich zu verändern, dass dessen architektonische Integrität gefährdet war“, sagte Thomas Elsaesser. Eine von Frankfurter Architekten eingeleitete Aktion „Rettung der Großmarkthalle“ wandte sich an die Nachfahren des Architekten Martin. In einer außergerichtlichen Einigung zwischen EZB, Stadt Frankfurt und den Elsaesser-Nachfahren verpflichteten sich die drei Parteien, das künstlerische Erbe dieses wichtigen Architekten des „Neuen Frankfurt" zu bewahren. Zu diesem Zweck wurde die Martin-Elsaesser-Stiftung ins Leben gerufen, die mit Ausstellungen und Publikationen an die Öffentlichkeit tritt. So entstand auch die Idee des Dokumentarfilms, der das Schaffen Martin Elsaessers wieder ins Gedächtnis rufen soll. „Als Medienhistoriker habe ich einen professionellen Produzenten beauftragt, den Film zu machen“, so Thomas Elsaesser. Die Recherche habe acht Jahre, die anschließende Produktion weitere zwei Jahre in Anspruch genommen. Früher hätten die Schmalfilme ausschließlich Familienbezug gehabt, erst später habe er die Dokumentation des Migge’schen Nachhaltigkeitsprojekts wie auch des Werbens um die zukünftige Ehefrau in den Filmen seines Vaters entdeckt. „Es handelt sich um eine Kombination aus Briefen, Gedichten und gesprochenen Worten“, ergänzte Konrad Elsaesser. „Man kann es aber auch als tragische Fabel erzählen: ein Mann stiehlt einem anderen die Frau, entführt sie auf eine Insel, stirbt aber bald, sodass der Andere zwar wieder mit seiner Frau lebt, aber im Schatten seines toten Rivalen“, so Thomas Elsaesser. Auf die Frage von naxos-Moderator Gerd Becker , wie denn die anderen Familienmitglieder aus dem Film auf die sehr privaten Bildern reagiert hätten, meinte der Regisseur, sie hätten die damaligen Verhältnisse „jeder innerhalb seines eigenen Familienverbands mitbekommen, und da divergierten die Erinnerungen der Nachfahren der Töchter von denen der Söhne“. Die Reaktionen von Filmbesuchern Osteuropas, vor allem aus ehemalig von Nazis besetzten Ländern, sei hingegen „geprägt von der Neugier, wie die Deutschen selbst den Krieg erlebten, und wie die Arbeit auf eigenem Boden mit Selbstversorger-Ideologie durchaus als Widerstand gegen Diktatur und Kollektivismus verstanden werden kann“. In den USA habe sich das Interesse auf die „Komplexität der Familiengeschichte“ konzentriert. In London etwa sei er mit der Aussage konfrontiert worden, „Ihr seid doch alle Nazis gewesen, oder?“, wo hingegen in Los Angeles Reaktionen zu hören waren, wie „der Regisseur setzt hier seinen Vater als Regisseur ein“. Technisch sei der Film über „die Wunder des Digitalen“ möglich gewesen: „Bilder nicht größer als ein Fingernagel werden auf der großen Leinwand wieder lebendig.“ Die Lebensgeschichten der circa zwölf Personen, die damals auf der „Insel“ lebten oder sie besuchten, seien hochinteressant, aber hätten den thematischen Rahmen des Films gesprengt, räumte der Regisseur ein. Das wolle er künftig vielleicht noch einmal „intensiv aufarbeiten“. Seitens der Besucher hieß es, einen solchen „dichten Film mit so viel Material geschaffen“ zu haben, sei schon „grandios“. ]Die Frage kam von einem Zuschauer
Humanisierung der Arbeitswelt – „ein schöner Traum“

Bild: naxos-Moderator Wolf Lindner und seine Filmgäste Hans Ulrich Fischer (Mitte), IG Metall-Bildungszentrum, Sprockhövel, und Friedhelm Hengsbach, prominenter Vertreter der katholischen Sozialethik.
Arbeit ist mehr als Broterwerb, sie ist Religion geworden. Regisseur Konstantin Faigle (1971-2016) hatte 2012 einen Dokumentarfilm gedreht, der zur Senkung der Arbeitsmoral beitragen soll. Passend zum „Tag der Arbeit“ lief sein Film „Frohes Schaffen“ am 1. Mai 2018 im naxos-Kino.
Zum anschließenden Filmgespräch hatte naxos-Moderator Wolf Lindner zwei kompetente Gesprächspartner eingeladen. Friedhelm Hengsbach war bis zu seiner Emeritierung 2005 Professor für Christliche Sozialwissenschaft bzw. Wirtschafts- und Gesellschaftsethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Hans Ulrich Fischer ist im Audio-visuellen Zentrum (AVZ) des IG Metall-Bildungszentrums Sprockhövel zuständig für die Herstellung von Bildungsfilmen.
Arbeit als Religion zu bezeichnen, habe ihn am Film gestört, meinte Hengsbach. Auch zeige der Film nur Extremfälle. Normale Werktätige tauchten nicht auf. „Das ist nicht die Welt, in der wir leben“, sagte der katholische Sozialethiker und Jesuit. Kritisch äußerte sich auch Fischer als Gewerkschafter. Arbeit als Sinn darzustellen, sei zu kurz gekommen: „Mir war der Film zu unpräzise, weil hier versucht wurde, eine Theorie zu verfilmen. Das geht immer schief“.
Lindner ging dann direkt ins Publikum, um Stimmen der Besucher einzufangen. Der Film provoziere, stelle Arbeit teils als Fetisch, teils als Ethik dar, hieß es unter anderem. Den einen habe er in Sachen Gelderwerb gegen Arbeitskraft Denkanstöße vermittelt, andere hatten sich mehr Inspiration im Sinne von Alternativen erhofft. Weitere Besucher empfanden den Film als leicht und witzig, der sie veranlasst habe, mehr über das Phänomen Arbeit nachzudenken. Einigkeit bestand drüber, dass man von Arbeit nicht reich werde. Folglich versuche man, über Arbeit „einigermaßen durchs Leben zu kommen“.
Hengsbach betonte, dass die Mehrheit darauf angewiesen sei, als abhängig Beschäftigte zu arbeiten, auch unter zunehmendem Druck. „Personalgespräche und Betriebsvereinbarungen sind kein ausreichendes Mittel zur Humanisierung der Arbeit.“ Die Industrie 4.0 sei nur die neueste Sau, die durchs Dorf getrieben werde, soziale Kontakte gerieten immer mehr in den Hintergrund. Würde entstehe hingegen aus der menschlichen wechselseitigen Achtung: „Das muss kollektiv in den Betrieben, durch Gewerkschaften und soziale Bewegungen realisiert werden, denn die Zukunft der Arbeit ist die Achtung der Menschen voreinander“.
Fischer zufolge sei die gesellschaftliche Akzeptanz der Gewerkschaften gestiegen. Eine Humanisierung der Arbeitswelt bezeichnete er für heute jedoch als schönen Traum: „Überall wird versucht, die Arbeitszeitverkürzung zu umgehen. Gleichzeitig wünschen die Beschäftigten mehr Autonomie. Das ist kein religiöser Konflikt.“ Der Beginn der Produktion werde durch die spätere Verwertung markiert. „Die Gewerkschaften sind nicht für die Produkte zuständig, sondern eigentlich nur dafür, die Löhne aus dem Wettbewerb herauszuhalten“.
Insgesamt gehe es nicht um die Senkung der Arbeitsmoral. Es gehe zunächst einmal um den Kampf um Würde und gerechtes Entgelt. Neue Formen der Arbeit müssten den Beschäftigten künftig verstärkt Chancen zu einer Karriereplanung und -entwicklung bieten, darüber war man sich einig.
Das System Milch: Als Rohstoff ökonomisiert

Foto (von links): naxos-Moderatorin Hilde Richter (Mitte) im Gespräch mit Swenja Löw (l.), Milchkönigin 2014 Rodgau, und Konstantin von Mackensen, Leiter der Landbauschule Dottenfelderhof in Bad Vilbel.
Milchkühe grasen genüsslich auf der Weide. Dieses gern gezeichnete Idyll von der Landwirtschaft ist längst überholt. Vom Melkstand auf dem Hof bis hin zur Abfüllung in den Molkereien ist die Milchproduktion wirtschaftlich optimiert. So wird das Grundnahrungsmittel Milch längst auf dem Weltmarkt gehandelt, folgt im globalen Handel vielfach den gleichen Regeln wie etwa Erdöl – mit allen Risiken und Hoffnungen auf bessere Preise. Mit dieser Thematik beschäftigte sich der Dokumentarfilm „Das System Milch“ am 24. April 2018 im naxos.Kino.
Swenja Löw kommt von einem Hof mit 130 Kühen in Rodgau-Jügesheim. Sie hat drei Jahre Landwirtin gelernt und anschließend Agrarbetriebswirtschaft studiert. Die Landesvereinigung Milch Hessen hat sie 2014 zur Milchkönigin Rodgau ernannt. Voraussetzung: ein landwirtschaftliches Verhältnis zur Milch. Auch Konstantin von Mackensen, Leiter der Landbauschule Dottenfelderhof in Bad Vilbel, Bundespreisträger Ökologischer Landbau 2018, hat „viele Jahre unter Kühen verbracht“. Heute bildet er vor allem junge Landwirte in biologischem Landbau aus.
„Lebensmittel werden heute ökonomisiert. Darin wird Milch als Rohstoff verstanden“, sagte Mackensen. Eine Kuh sei eine Quelle, aus der ein Betrieb fruchtbar wird. Der Stallplatz sei jedoch begrenzt, beklagte Löw: „Wir stehen unter Druck, denn die kleinbäuerliche Idylle ist nicht mehr zu stemmen. Immer mehr Kleinbetriebe gehen kaputt“. Zudem nehme eine allgemeine Kontrolle überhand: „Dokumentation über jedes einzelne Tier ist Pflicht“. In der Konsequenz verdiene man im Büro mehr als vor Ort mit den Tieren. Löw bezeichnete diese Situation als frustrierend, da es immer schwieriger sei, drei Generationen auf dem eigenen Hof zu ernähren. Inzwischen empfinde sie eine 80- bis 100-Stunden-Woche als normal, zumal „Milchroboter für unseren Familienbetrieb die beste Lösung“ seien.
Wie denn eine Wachstumsphilosophie zu bremsen sei, fragte naxos-Moderatorin Hilde Richter. „Zuerst aufs Tier schauen“, meinte Mackensen und forderte Subventionen über die Anzahl der Tiere, nicht aber über die Fläche. Extremzüchtungen lehnte er zwar ab, räumte jedoch ein, dass letztlich der Kunde an der Kasse bezahlt: „Landwirte lösen die Probleme der Landwirtschaft nicht, weil die Gesellschaft entscheidet, was sie will und zu zahlen bereit ist. Billig ist nicht immer gut“.
Die Landwirtschaft sei wesentlich abhängig vom Wetter. Erschwerend hinzu käme die permanente Dokumentationspflicht mit ihren Fristen, die die eigentliche Arbeit weitestgehend einschränke, meinte Löw. So würde eine Produktion wie in Afrika in Deutschland sofort eingestellt werden. „Wir lassen uns immer wieder verarschen. Wir stumpfen ab und Computer steuern uns Verbraucher“, hieß es aus dem Publikum. So hätten sich allein in Frankreich zuletzt aufgrund der industrialisierten Milchwirtschaft rund 600 Bauern das Leben genommen. Im Film bezeichnete ein dänischer Bauer die Milchwirtschaft als „ein Rennen, das nicht zu gewinnen ist“. Parallel dazu tauchten Bilder von einem Großhof in China auf, die beängstigend, science fiction-mäßig wirkten: steril, industriell, sauber. Zwar sei sowohl der Konsument als auch der Landwirt dagegen ohnmächtig, dennoch meinte Löw: „Deutschland produziert die besten Lebensmittel zum günstigsten Preis“.
Mackensen wies auf den „riesigen Einfluss der Lobbyisten auf die Landwirtschaft“ hin. So werde die hessische Durchschnittskuh keine fünf Jahre mehr alt, obwohl sie noch nicht ausgewachsen sei: „Ein bescheuertes, unökonomisches System“. Hinderungsgründe, aus einem solchen System auszusteigen, seien die Lebensgrundlage am Standort, die Flächenausstattung sowie die Finanzierung und Genehmigung eines weiteres Ausbaus, so Löw. Landwirtschaftsprobleme sollten stets über den eigenen Hof gelöst werden, meinte Mackensen. Eine Umstellung als Landwirt sei nur mit Menschen möglich, die das auch wollten. Seine Vision: Der Landwirt geht zur Gesellschaft und die Gesellschaft geht zum Landwirt.
Authentische Aufnahmen aus monatelanger Flucht

Foto (von links): Wolf Lindner, naxos.Kino, Elke Sasse, Filmemacherin, Ramona Lenz, medico international
Bevor naxos.Kino Moderator Wolf Lindner das Gespräch mit den heutigen Expertinnen begann, gab er einigen FilmbesucherInnen das Wort. Viele BesucherInnen im naxos.Kino waren nach dem Film „MyEscape“ betroffen über die erschütternden und mit Gewalt verbundenen Erlebnisse, die die Flüchtlinge mit ihren Mobiltelefonen festgehalten hatten. Die Filmemacherin Elke Sasse berichtete, dass der Film im Jahr 2015 entstand, als sehr viele Menschen auf der Flucht waren und hierzulande nach dem „wir schaffen das...“ in vielen Städten noch eine große Hilfsbereitschaft und Willkommenskultur vorhanden war. Ramona Lenz, Referentin für Flucht und Migration bei der Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international, erläuterte, dass die Zunahme der Flüchtlingszahlen 2015 vor allem auf veränderte Bedingungen in den Ländern wie Syrien, Afghanistan, Eritrea u.a. zu suchen ist. So wurde damals die Nahrungsmittelhilfe für syrische Flüchtlinge in der Region durch das Welternährungsprogramm so stark reduziert, dass die Menschen nicht mehr davon leben konnten. Gleichzeitig schlossen die Nachbarländer Syriens nach und nach ihre Grenzen, was viele Syrerinnen und Syrer dazu veranlasste, das Land noch schnell über die letzte offene Grenze in die Türkei und weiter nach Europa zu verlassen.
In Berlin entstand wie Elke Sasse erläuterte die Idee, Fluchtgeschichten zu erzählen mit den Videos, die Flüchtlinge auf ihrer Flucht selbst mit ihren Mobiltelefonen aufgezeichnet hatten. Dazu wurden auch durch Aufrufe in sozialen Medien eine Vielzahl von Handy Filmausschnitten gesammelt. Einige Flüchtlinge hatten sehr viel Material aufgenommen und 10 dieser Fluchtgeschichten werden dann im Film erzählt und in Intervies kommentiert. Das Filmen dieser Fluchterlebnisse war für einige sehr gefährlich, besonders für Flüchtlinge aus Eritrea, die gezielt nach Mobiltelefonen durchsucht wurden. Die Dauer der Flucht ist sehr unterschiedlich. Während die Flucht aus Syrien in 2 bis 3 Monaten gelingen konnte, ist der Weg aus Afghanistan meist länger und die Flucht aus Eritrea erfolgt über viele Länder und Stationen mit teils langen Zwischenaufenthalten, so dass bis 2 Jahre dafür benötigt werden.
Medico international arbeitet in vielen Ländern aus denen die Flüchtlinge kommen, aber auch in den Transitländern mit unterschiedlichen lokalen Partnerorganisationen zusammen, um die Bedingungen für die Menschen während ihrer Flucht zu verbessern. Ramona Lenz berichtet, dass solche Hilfen in Libyen kaum möglich sind, da dort unterschiedliche Milizen die Macht haben, die mit brutaler Gewalt Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern und deren Familien ausbeuten und unterdrücken. Nichtsdestotroz kooperiere die EU mit genau solchen Milizen, damit sie die Menschen in Libyen festhalten und an der Flucht über das Mittelmeer nach Europa hindern. In vielen Herkunfts- und Transitländern der Migration würden Gelder der Entwicklungszusammenarbeit eingesetzt, damit die Regierungen im Bereich der Migrationskontrolle kooperieren, was in der Regel nichts anders bedeute als die Verhinderung von Flucht und Migration nach Europa.
Viele der Flüchtlinge, denen die Flucht nach Deutschland geglückt ist haben es hier schwer, weil sie nicht individuell als Flüchtling anerkannt sind, sondern einen "subidiären Schutz" erhalten. Dadurch ist auch der Familiennachzug nicht möglich. Zermürbend sind dabei auch die hohen bürokratischen Hürden und die monate- und jahrelange Wartezeiten, bis es zu Entscheidungen kommt. Seit einiger Zeit arbeitet Elke Sasse an einem weiterem Film, bei dem es um Nachrichten und Videos geht, die Flüchtlinge in Europa von ihren Verwanden undFfreunden bekommen
Filmgespräch zu „Hannah – ein buddhistischer Weg zur Freiheit“: „Die coolste Frau, die ich kennengelernt habe“

Bild: naxos-Moderatorin Barbara Köster und Kerstin Luisa Pramme, Buddhismus-Lehrerin im Diamantweg (r.).
Hannah Nydahl (1946 – 2007) war eine Lehrerin (Lama) der Karma-Kagyü-Linie des tibetischen Buddhismus. Wie ihr Ehemann Ole Nydahl hat sie seit 1973 bis zu ihrem Tod 2007 sowohl zur Entwicklung und Verbreitung des tibetischen Buddhismus in der westlichen Welt als auch zur Erhöhung seines Bekanntheitsgrades wesentlich beigetragen. Während der Hochzeitsreise mit ihrem Mann in den Himalaya 1968 trafen sie den Drukpa-Siddha Lopön Tsechu Rinpoche. Auf einer zweiten Reise in den Himalaya 1969 trafen sie dann den 16. Karmapa, das geistige Oberhaupt der Karma Kagyu-Linie. Sie gehörten zu seinen ersten westlichen Schülern. Nach einer Zeit der Ausbildung und Meditation bat der 16. Karmapa die beiden, in seinem Namen Meditationszentren im Westen zu gründen.
Der Buddhismus kenne nur ein Produkt: Glück. Ziel sei es, Freude zu produzieren. Freiheit bedeute darin, „innere Freude im gegenwärtigen Moment zu erleben“. So eröffnete Kerstin Luisa Pramme, Diamantweglehrerin und im beruflichen Leben Seminarleiterin in Frankfurt am Main, das Filmgespräch zum Film „Hannah – ein buddhistischer Weg zur Freiheit“ am 10. April 2018 im naxos-Kino.
Den Film bezeichnete Pramme als einen „kulturhistorischen Ausbruch mit Mut“. Sie selbst habe Hannah im Alter von zehn Jahren kennengelernt. Nydahl war eine der gefragtesten Übersetzerinnen aus dem Tibetischen ins Englische, Deutsche oder Dänische. Die Hälfte des Jahres übersetzte sie für Lamas am „Karmapa International Buddhist Institute“ (KIBI) in New Delhi, Indien, wo sie sowohl an der Übersetzung zahlreicher buddhistischer Texte beteiligt war, als auch die Reisen hoher Lamas der Karma-Kagyü Linie organisierte. Später habe Pramme mit der Protagonistin einige Jahre als Studentin verbracht. Da damals keine Lehrbücher zur Verbreitung der buddhistischen Lehren existierten, habe die Dänin die tibetischen Schriften in die englische Sprache übersetzt. So habe sie in Kopenhagen Tibetismus studiert, um ihre Übersetzungen wissenschaftlich abzusichern. Unterstützt wurde sie von Beginn an von ihren tibetischen Lehrern. „Für mich war Hannah die coolste Frau, die ich kennengelernt habe, so soll der Film denn auch Hannahs Leben nicht in Vergessenheit geraten lassen“, sagte Pramme.
Aus den rund 84.000 Belehrungen von Buddha hätten sich zahlreiche Strömungen ergeben. In Tibet hätten sich diese Strömungen auf vier Hauptlinien konzentriert, wobei ein Lehrer die Qualität haben müsse, inhaltlich übergreifend zu wirken. Warum immer ein Mann der oberste Lama sein müsse, begründete Pramme mit dem indischen Kastensystem, das von einer deutlichen Bevorzugung von Männern gekennzeichnet sei. Aber es sei stets eine Frau an der Seite eines Meditationslehrers, „die in den meisten Fällen mit ihm verheiratet ist“.
Erstaunlich war, dass Hannah und ihr Mann Lama Ole Nydahl bei allem Verzicht auf Besitz ständig zwischen Südamerika, Asien und Europa hin und her pendeln konnten. Finanziert hätten sie ihre ständigen Reisen, indem sie sich ihr Erbe auszahlen ließen, ihre Lebenskosten extrem gering gehalten hätten und oft von Freunden eingeladen worden seien. Später hätten sie eine Stiftung gegründet, die die Reisekosten finanziert habe.
Hannahs Mann Ole, inzwischen 77 Jahre, besucht bis heute auf Einladung seiner Schüler die rund 750 Zentren in über 45 Ländern und vermittelt erfolgreich Buddhas Lehren.
Filmgespräch zu „6 Jahre, 7 Monate und 16 Tage“: Den Mordopfern des NSU eine Identität geben

Bild: naxos-Moderator Gerd Becker im Gespräch mit Dokumentarfilmmacher Sobo Swobodnik (r.) und Milena Hildebrand, Wissenschaftliche Referentin für den Untersuchungsausschuss der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag.
„6 Jahre, 7 Monate und 16 Tage“ – während dieses Zeitraums war der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) in Deutschland aktiv und verübte insgesamt zehn Morde an Migranten und einer deutschen Polizistin. Erst nach über sechs Jahren, 2011, wurde bekannt, dass die Taten vom sogenannten NSU begangen wurden. Bis dahin tappte die Polizei im Dunkeln. Nach jener Zeitspanne hat Sobo Swobodnik seinen Dokumentarfilm benannt, der die Mordserie als nüchterne Chronik der Ereignisse fassbar machen will. Die am 3. April 2018 gezeigte essayistische Dokumentation hat die Besucher des naxos-Kinos nachdenklich gemacht. Zudem wolle der Film den oft übergangenen Opfern des NSU ein Gesicht und eine Identität geben, so der Regisseur.
Der Film nähert sich dieser rechtsextremistischen Mordserie über Schwarz-Weiß-Bilder der unterschiedlichen Tatorte. Diese Bilder lässt der Dokumentarfilmmacher in Dialog mit Zeitungsmeldungen, Ermittlungsprotokollen, Prozessaussagen und Äußerungen von Hinterbliebenen und Fachleuten treten. Die Texte lesen Schauspieler des Berliner Ensembles, während dazu Kompositionen des Berliner Musikers Elias Gottstein erklingen. „Vorausgegangen war eine umfangreiche Recherche. Für die Dreharbeiten brauchten wir pro Tatort je einen Tag“, sagte Swobodnik.
Der Prozess gegen die NSU-Mörder läuft seit 2013, seit 2014 beschäftigt sich der Untersuchungsausschuss in Hessen damit. Eine Sonderkommission von bis zu 160 Beamten hatte zuvor von 2005 bis 2008 nur am Rand des rechten Milieus ermittelt. Der Hessische Untersuchungsausschuss konzentrierte sich nahezu ausschließlich auf den Mord in Kassel. Parallel dazu legte die mediale Berichterstattung den Fokus auf die Täter. „Ich hingegen wollte über die Opfer-Perspektive berichten, jedoch keine Angehörigen vor die Kamera holen“, so der Regisseur. Insofern sei ein solcher Film nur über das „Wie“ zu machen, indem die Orte als Anklagezeugen gezeigt würden: „Über diese Orte wollte ich die Geschichte erzählen“.
naxos-Moderator Gerd Becker bezeichnete die Komposition aus Tatorten, Texten und Musik als „entscheidendes Stilmittel“, was Swobodnik bestätigte, denn der Film müsse statisch sein, um ein Verständnis herzustellen. Das wiederum verstehe er als „Steilvorlage gegen Rassismus und Rechtsextremismus“. Der Film solle dazu aufrufen, „Konsequenzen zu ziehen“, sei jedoch an der Kinokasse „nicht so erfolgreich“. Das könne auch daran liegen, dass er eher ein gefühltes Hörspiel sei. Denn nicht wirklich informative Schwarz-Weiß-Bilder legen einen Grauschleier über die an sich akribisch rekonstruierten Ereignisse.
Milena Hildebrand ist Wissenschaftliche Referentin für den Untersuchungsausschuss der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag. „Wir konzentrieren uns in erster Linie auf den Mord in Kassel“, sagte die Juristin. Linke und SPD hätten den Ausschuss ins Leben gerufen, um den damaligen Umgang der Sicherheitsbehörden mit dem Mord, die Rolle des am Tatort anwesenden Vefassungsschutzmitarbeiters Temme und die Rolle des damaligen Innenministers Bouffier zu klären und mögliche Unterstützer des NSU im rechten Spektrum in Nordhessen ausfindig zu machen. Die Arbeit sei zäh voran gekommen, was unter anderem daran lag, dass es keine zielführende Kooperation der anderen Parteien gab und unter den rund 2000 Aktenordnern, die dem Ausschuss vorliegen, viele geheim eingestufte und geschwärzte Dokumente seien. Der Ausschuss habe viele Erkenntnisse erlangen können über die Vorgänge bei den Behörden und im Innenministerium, beispielsweise steht aus Sicht der LINKEN fest, dass Bouffier im Jahr 2006 das Parlament belogen hat. Andere Fragen blieben weiter nebulös.
„Wir müssen das rechtspolitische Bewusstsein stärken, es ist wichtig, dass Öffentlichkeit zu diesem Thema geschaffen wird“, hieß es seitens der Besucher. Sollte dies nicht der Fall sein, drohe die Gefahr, dass die rechtsradikale Szene davon profitiere, so Swobodnik. Er fühle sich nach Auseinandersetzung mit dem Thema und dem allgemein sinkenden Interesse daran frustriert, weshalb der gesellschaftspolitische Druck erhöht werden müsse, und zwar durch Abschaffung des Verfassungsschutzes, Stärkung des Kampfs gegen rechts und parlamentarisches Einschreiten gegen den Rechtsextremismus. „Unsere einzige Chance liegt im öffentlichen Druck, und da ist jeder gefordert“, sagte der Regisseur.
Sobo Swobodnik studierte Schauspiel in München und arbeitete, u. a. als Regisseur, an mehreren deutschen Theatern. Er war als Rundfunk-Redakteur bei verschiedenen Hörfunkanstalten und ist auch als Schriftsteller tätig. Für sein Porträt über Hermes Plettberg (österreichischer Schauspieler, Schriftsteller und Talkshow-Moderator, Anm. d. Red.). erhielt er den Max-Ophüls-Preis für den besten Dokumentarfilm 2012. Bei der Berlinale 2013 war er Jurymitglied für den Friedensfilmpreis.
Filmgespräch vom 27.3.18 über Die Brücke von Leben und Tod: „Stress macht krank, Glück bedeutet Reichtum“

Bild: naxos.Kino- Moderator Gerd Becker im Gespräch mit Dietmar Seehuber (Mitte) und Filmemacherin Lola Jia Liu.
Filmemacherin Lola Jia Liu vertrat die Meinung, die hohe Selbstmordrate in China sei auf den allgemeinen Stress zurückzuführen, der die Menschen psychisch krank mache. Auch die Hauptperson Chen Si bewege sich auf einem schmalen Grat zwischen Heldentum – er hat bereits einige Lebensmüde vor dem Absprung gerettet – und alkoholisierter Resignation, da er immer wieder seine Lebenssituation beklage, meinte naxos-Moderator Gerd Becker. Die Filmemacherin Lola Jia Liu, die am 27. März naxos Kino zu Gast war, bestätigte, dass sie während der fünfjährigen Drehzeit zunehmend seinen Alkoholismus bemerkt habe: „Innerlich will er andere nicht mehr retten, seine Seele ist kaputt, er ist traumatisiert“. Seine ersten erfolgreichen Rettungsaktionen hätten ihn landesweit bekannt gemacht. Das habe er immer weniger verarbeiten können. Nachdem er für seine Taten immer wieder Geld zum Überleben erhalten habe, rufe er nun mittels viralem Marketing gezielt zu Spenden auf. „Er hat seine Ideologie zum Job gemacht.“ Wenn er mit dem Retten aufhören würde, würde er alles verlieren. Job, Anerkennung und Struktur des Lebens. Dietmar Seehuber, Chefarzt der Klinik Hohemark, bestätigte als Vertreter des Frankfurter Netzwerks Suizidprävention (FRANS), dass es „durchgehend um den Sinn des Lebens“ gehe. Die Hauptperson im Film erkenne durch seine Arbeit einen Sinn für sich, was auch etwas Berauschendes für ihn ausmache. „Aber Helfer sollten nie allein agieren“, mahnte Seehuber. Chen Si „performt eine one-man-show“ mit dem Problem, wie er diese verarbeiten solle. In solchen Fällen sei Alkoholismus aufgrund von Verzweiflung, fehlender Antriebskraft oder körperlicher Störungen häufig die Endstation. In Frankfurt wird seit einiger Zeit ein besonderer Ansatz verfolgt, um Menschen mit suizidalen Gedanken Hilfen anzubieten. Das Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention (FRANS) wurde 2014 gegründet und ist ein Zusammenschluss von mehr als 70 Frankfurter und überregionalen Institutionen und Organisationen, in deren beruflichem Alltag suizidales Verhalten und das Thema Suizidprävention eine Rolle spielen; weiteres siehe unter: www.frans-hilft.de . Gründe, die zu Gedanken über eine Selbsttötung führen, können nach Dr. Seehuber sehr unterschiedlich sein. Sie können in der Folge einer meist langjährigen depressiven Erkrankung entstehen. Aber auch unerwartete plötzliche dramatische Ereignisse, wie die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen, können Ursache sein. In jedem Fall sollten die Betroffenen ärztlichen Rat und Hilfen in Anspruch nehmen. Dazu sollten sie auch von Freunden und Angehörigen ermutigen. Glück bedeute in China Erfolg und Reichtum. Danach strebe jeder, meinte Frau Liu: „Deshalb kämpfen die Menschen egoistisch nur für sich selbst“. Abgestürzte würden nicht zur Kenntnis genommen, denn sie würden als Versager gelten. Sie betonte, dass vor allem diese einsamen Menschen eine Community brauchten. Dazu fehlten jedoch noch immer ehrenamtliche freiwillige Helfer für Depressive in China. Während Menschen aus der Mittelschicht eher medizinisch- psychologische Hilfen annehmen, ist dies bei Menschen aus einfachen Verhältnissen kaum der Fall.
Filmgespräch: Der Bauer bleibst Du „Trotz der gefilmten Langsamkeit ein dennoch schneller Film“

Bild: Im Anschluss an den Film traf naxos-Moderator Wolf Lindner (l.) auf einen entspannten Filmemacher Benedikt Kuby (r.), der über das Zustandekommen seines Films berichtete.
In seinem Film „Der Bauer bleibst Du“ porträtiert Benedikt Kuby den 82-jährigen Bauern Heinrich Wanner, der am Inzingerberg, hoch über dem Inntal, seine Landwirtschaft betreibt, vierzig Hektar, den Wald mit eingerechnet. Der große Bauernhof, den er allein bewohnt, ist ein über sechshundert Jahre alter Erbhof, einer der ältesten in Tirol. Am 20. März 2018 stellte Kuby ihn im naxos-Kino vor. Der alte Bauer kann sich ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen: die vierzehn Kühe versorgen, das Heu ernten, Bäume fällen und Brennholz machen, die Kartoffeln setzen und ernten, das Werkzeug in Ordnung halten und zu Weihnachten die Krippe aufbauen. Heinz Wanner lebt von und für seine Arbeit.
„Ich habe einen Film machen wollen über Gelassenheit“, sagte Kuby. Er hatte den Bauern sechzehn Jahre zuvor bei Dreharbeiten für das Bayrische Fernsehen kennengelernt und habe lange nachdenken müssen, bis er beschlossen habe, den Bauern zu fragen, ob er vor der Kamera reden wollte. „Diesen Film wollte kein TV-Sender machen mit dem Hinweis: ´Unsere Zuschauer würde das nicht interessieren`“. So gab es nur die Optionen: Das Projekt sterben zu lassen oder den Film ohne Team zu drehen, also von Regie über Kamera, Ton und Schnitt alles selbst zu machen. So kam es zu einer – wie Kuby weiter erläuterte – „nahezu nicht zu bewältigenden Aufgabe“. Das Ganze habe sich über zwei Jahre hingezogen. „Hätte meine Frau mir nicht immer wieder versichert, dass es ein guter Film werde, ich hätte aufgegeben. Denn das Geld kam ja auch aus der Familienkasse.“
Kuby war es wichtig, den Taktschlag, in dem dieser Bauer lebt, deutlich zu machen, diese Langsamkeit. Denn Heinz Wanner habe einfach ein anderes Zeitgefühl. Und damit war klar, dass es kein schneller Film würde, der dem Zeitgeist entsprach. „Trotz der gefilmten Langsamkeit ist es ein sehr schöner und dennoch schneller Film geworden“, meinte ein Besucher. Der Film male jedoch keine romantische Oase, natürlich lebe der Heinz im 21. Jahrhundert, bemerkte naxos-Moderator Wolf Lindner. So besitze der Bauer ein kleines Auto und auch Motorsägen und einen alten Traktor, mit dem er seine Stämme aus dem Wald zieht. Aber er wirtschaftet allein, hat keine Nachkommen. Nach zehn Generationen würde die Erbfolge auf dem Wannerhof abreißen, und das macht dem 82-jährigen Sorge. Darum hält er Ausschau nach einem Nachfolger und findet ihn bei einer Familie im Dorf: Hannes, 22 Jahre alt, hat gerade die Landwirtschaftsschule abgeschlossen und ist bereit, dem alten Mann zur Hand zu gehen und schließlich den Hof zu übernehmen. „Erst als Heinz daran war, seinen Hof weiterzugeben war klar: Das wird das Thema des Films“, so der Filmemacher.
Tatsächlich hat der Film große Anerkennung erhalten. Auf vielen Festivals im In- und Ausland hat er insgesamt neun Preise und einige Preisgelder eingespielt. Am Ende kaufte ihn das Bayerische Fernsehen dann doch an – „und siehe da: er wurde zum Quotenkönig“, sagte Kuby.
Insgesamt aber habe der Film die Kosten kaum eingespielt. Eine kleine Crowdfunding-Aktion habe geholfen, die Szenen mit dem Hubschrauber zu finanzieren. Es war Johannes´ Idee, mal einen Rundflug über Heinzens Anwesen zu fliegen, aber Heinz hatte Angst davor, aber entschied sich dann doch dazu. Nachträglich war er überglücklich: Es war sein „schönstes Erlebnis im Leben“. Den Piloten habe er aus tiefer Dankbarkeit darüber, dass es zu keinem Absturz kam, nach dem Rundflug so reichlich mit Brot, Kartoffeln, Wein und Schnaps aus eigener Herstellung beschenkt, dass der schließlich abwinken musste, weil der Hubschrauber zu schwer geworden wäre.
Inzwischen ist mit großem Aufwand sehr viel am Haus renoviert worden. Johannes ist mit seiner Freundin Bettina eingezogen. Noch in diesem Jahr werden sie heiraten.
Kurz nach Ende der Dreharbeiten wurde bei Heinz Leukämie festgestellt. Drei Wochen darauf starb er. Ob die Krankheit der Grund war oder die verordnete Chemotherapie? Eine Frage, die Kuby immer wieder bewegt. Bevor es soweit kam, suchte Benedikt Kuby seinen Protagonisten am Krankenbett auf und spielte ihm den Film vor. Dessen Reaktion „Ich dank dir sehr herzlich für den Film“. Größer hätte für Kuby das Lob nicht sein können.
Filmgespräch über Django: Die Jazz-Gitarre um Lichtjahre nach vorn katapultiert

Bild: Mit Jürgen Schwab (l.) hatte naxos-Moderator Gerd Becker einen Kenner der Jazz-Geschichte und der aktuellen Jazz-Szene eingeladen.
„Der Film ´Django – Ein Leben für die Musik` ist ein faszinierendes Thema für Jazz-Fans. Den Menschen und Musiker Django Reinhardt mit seinen Tiefen und seinem Ursprung aufzuzeigen, ist dem Film jedoch nicht ganz gelungen.“ Mit dieser Einschätzung eröffnete Jürgen Schwab, Musiker und freier Journalist, das Filmgespräch am 13. März 2018 im ausverkauften naxos-Kino. Zuvor hatte das Frankfurter Swing Belleville Quartett die Gäste mit Jazz Manouche, besser bekannt als Gypsy Swing, auf den anschließenden Filmabend eingestimmt.

1934 wurde auf Anregung von Pierre Nourry und Charles Delaunay vom Gitarristen Django Reinhardt (1910 – 1953) und dem Geiger Stéphane Grappelli das Quintette du Hot Club de France in Paris gegründet. Der Hot Club organisierte Konzerte, gab eine Monatszeitschrift heraus und veröffentlichte Jazzaufnahmen. Der Film zeigt Django Reinhardt 1943 auf dem Gipfel seines Erfolgs: Jeden Abend begeistert der Gitarrist zusammen mit seiner Combo in ausverkauften Pariser Sälen mit seinem unglaublichen Gypsy-Swing.
naxos-Moderator Gerd Becker fragte Schwab, ob Django Reinhardt die Jazz-Gitarre bereichert habe. Nicht bereichert, meinte Schwab, sondern „um Lichtjahre nach vorn katapultiert“. Django habe die Sinti-Musik der ehemaligen österreich-ungarischen K und K-Monarchie mit dem Gypsy-Jazz des 20. Jahrhunderts neu erfunden. „Django war ein Genie ohne Notenkenntnisse und mit einem eigenen Stil, kurz: ein Unnachahmlicher.“ Die Gitarristen der 1920er Jahre hätten ihm nicht das Wasser reichen können. Auch hätten in der Folge sämtliche Größen unter den Jazz- und Rockgitarristen von seinem „Django Reinhardt-Stilmittel“ gelernt, und zwar von einem Autodidakten, der in einem Wohnwagen aufwuchs.
Mit 13 Jahren habe Django erstmals amerikanische Schlager aus seiner Sicht interpretiert. Ein Wohnwagen-Brand habe im Alter von 18 Jahren seine linke Greifhand verkrüppelt, so dass er Ring- und kleinen Finger nicht mehr frei bewegen konnte. „Seine Leistung als Gitarrist ist somit umso unfassbarer“, meinte Schwab.
Er legte anschließend den Fokus auf das auch im Film gezeigte Jahr 1944. In jenes Jahr fällt die Aufnahme einer von Django Reinhardt komponierten „Zigeunermesse“, die sein damaliger Klarinettist Gérard Lévêque zu Papier brachte. Die auf einer Kirchenorgel eingespielte Messe wurde aber erst weit später veröffentlicht. Laut Charles Delaunay enthielt diese Sinfonie teilweise so gewagte Harmonien, dass sie für den damaligen Dirigenten Probleme aufwarf. Die Partitur ging allerdings verschollen.
„Insgesamt basiert der Film auf einer Mixtur von Fakten und Fiktion“, so Schwabs Fazit. Denn in Wahrheit habe Reinhardt die Nazis nicht – wie im Film gezeigt – mit ihrer „Kulturkontrolle“ zu Deppen gemacht, indem er beispielsweise den „St. Louis Blues“ bei seinen Auftritten als „König-Ludwig-Serenade“ angekündigt habe, wie es später die Frankfurter Jazzszene kolportiert habe. Ein tolles Schlusswort sprach ein Gast: „Danke dem naxos-Verein für die Auswahl des Films und des Gesprächspartners Jürgen Schwab“.
Schwab, studierter Musikpädagoge, hat 1998 bei Ekkehard Jost mit einer Arbeit über „Die Gitarre im Jazz“ promoviert, die als Standardwerk zum Thema gilt. Als Gitarrist gab Schwab Konzerte mit Jazzgrößen wie Emil Mangelsdorff, Günter Lenz oder Thomas Cremer. Von 2006 bis 2013 war er musikalischer Begleiter des bedeutenden Konzertveranstalters Fritz Rau. Als Journalist schreibt und moderiert der Experte Hörfunksendungen für die Jazzredaktion des Hessischen Rundfunks und die hr-Bigband. 2004 veröffentlichte er das preisgekrönte Buch „Der Frankfurt-Sound – eine Stadt und ihre Jazzgeschichte(n)“.
Saisoneröffnung zum Internationalen Frauentag – Lösungsansatz für Indien: Kinder gleichberechtigter erziehen

Der Dokumentarfilm „Where to, Miss?“ liefert ein realistisches Bild von der immer noch bestehenden Abhängigkeit indischer Frauen von ihren Vätern, Ehemännern und Familien.Am Beispiel der jungen Devki, die sich als Taxifahrerin von der tief verankerten Gesellschaftstradition emanzipieren will, wird aufgezeigt, wie mühsam es ist, sich von dem klassischen Rollenklischee der Frau zu befreien: Sie will selbständig und unabhängig, nicht aber die Tochter von Harischandra, die Frau von Badri oder die Mutter von Ayush sein. Sie möchte mit ihrem eigenen Namen genannt werden. Zum Filmgespräch am 6. März 2018 begrüßte naxos-Moderatorin Antje Lang Shrikala Jammalamadaka, selbst gebürtige Inderin und Vertreterin des Indischen Kulturinstituts, zum Thema.
Eine Akzeptanz der Emanzipationsbestrebungen befinde sich noch im Anfangsstadium, so Frau Jammalamadaka, aufklärerische Filme könnten jedoch einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftspolitischen Emanzipation der Frau leisten. Ob denn Jungen gegenüber Mädchen noch immer vorgezogen würden, wollte Antje Lang wissen. Zahlen dazu gäbe es nicht, doch sei diese Entwicklung rückläufig. „Allerdings bilden bei armen ländlichen Familien die Mädchen nach wie vor ein finanzielles Risiko, dem entweder mit Abtreibung und Unterdrückung begegnet wird“, sagte Frau Jammalamadaka.
Vom überwiegend weiblichen Publikum auf die Entwicklung einer Frauenbewegung in Indien angesprochen, meinte sie, das Land befinde sich im Wandel, wobei die Emanzipation bereits in der ganzen Gesellschaft Einzug gehalten habe, jedoch abhängig von der jeweils gesellschaftspolitischen Zugehörigkeit verschieden stark ausgeprägt sei. So klaffe in den ärmeren ländlichen Schichten noch eine enorme Bildungslücke und daraus resultierend mangelndes Verständnis für die Selbstbestimmung der Frauen, während in höher gestellten Gesellschaftsschichten arbeitende Frauen, die auch Alkohol konsumieren und Rauchen, schon zum alltäglichen Bild in Indien gehören. Probleme bereiteten hingegen Gruppenvergewaltigungen sowie Benachteiligung der Frauen bei der Einforderung ihres rechtlich verankerten Schutzes gegenüber Missbrauch und Diskriminierung – in den Städten wie auf dem Land.
Auf die Frage einer Besucherin nach einer allgemeinen Frauenbewegung in Indien meinte Frau Jammalamadaka, dass eine solche bereits überall im Lande in verschiedenen Formen existiere. Erste Ansätze von gezielter Gegenwehr seien bei der „Gang Gulabi“ (Gulabi ist die Farbe Pink, Anm. d. Red.) festzustellen. Dabei handele es sich um eine Gruppe vormals ausgestoßener Frauen, die das weibliche Faustrecht gegenüber männlicher Gewalt ausüben und so sich und anderen hilfebedürftigen Frauen zu Hilfe kommen.
Deutschland unterscheide sich mit einem ausgeprägten Individualverhalten stark von einem Indien mit traditionellem Familiendenken. Auch griffen die Medien „Gewalt gegen Frauen“ hier stärker auf als in Indien mit seinem tiefverwurzelten Glauben, dass Frauen Männern gegenüber von Natur aus unterlegen seien: „Das zu ändern ist schwer und kompliziert“. Einen ersten Lösungsansatz sieht die gebürtige Inderin jedoch: „Wir müssen Kinder gleichberechtigter erziehen“. Mangelnde Bildung sei auch ein Faktor der die Gleichberechtigung der Frauen erschwert. Die Schulen seien jedoch für viele Familien in ländlichen Gegenden zu teuer, weshalb die Bildungsquote dort noch sehr niedrig ausgeprägt sei. Immerhin: Eine Scheidung sei in Indien bereits seit vielen Jahren üblich, jedoch in den meisten Fällen gestaltet es sich für die Frauen schwierig, da sie trotz Misshandlung, Unterdrückung und Ausbeutung durch den Mann von ihren Familien weder aufgenommen noch unterstützt würden.
Bild: Zur Saisoneröffnung begrüßte naxos-Moderatorin Antje Lang (r.) Shrikalo Jammalamadaka vom Indischen Kulturinstitut Frankfurt.