Aktuelles

IMG_2964.jpg

Bild: Filmgespräch mit Dr. Gabriele Rohowski (Mitte), Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik, Goethe-Uni Frankfurt, sowie Julia Weinreich (r.), Dramaturgin am Schauspiel Frankfurt, mit naxos-Moderatorin Marianne Spohner.

„Wunderkind .. Skandalautorin .. Feministin .. Sprachterroristin“, so und ähnlich skizziert der Wiener polyfilm Filmverleih die Ankündigung des gleichnamigen Dokumentarfilms über die Literatin. Gabriele Rohowski will eine Konfrontation mit Gewalt zwischen den Geschlechtern und der Naturausbeutung erkannt haben. Daraus ergäben sich die Depressionen in den Texten und im Film. „Ich bin die Einzige in meiner Nähe“, zitierte Julia Weinreich aus dem Film über „eine Radikale und eine radikale Einsamkeit“.

Laut Rohowski zeichne eine Ambivalenz und Mehrdeutigkeit Jelineks Texte aus, die nur durch Konzentration verständlich würden: „Das Besondere sind verdrehte Texte durch rhetorische Tricks“. Es handele sich um ein „hochkomplexes Puzzle aus Bibelbezügen und Antikem Theater“. Weinreich benannte Jelineks Texte mit einer Kombination aus Handwerk und Kraft: „Sie beherrscht die Klaviatur der Sprache“. Insofern handele es sich um „große Literatur“, weil hier Sprache in das Körperliche eingreife, wie sie auch ihre Orgel als komplexes Instrument inklusive Dissonanzen benutze. „Ihre Texte muss man laut lesen, dann bekommen sie Musikalität in Dur und Moll“, bestätigte Rohowski.

Ob etwa Chorsprache typisch für Jelinek sei, fragte Marianne Spohner nach. Aus Weinreichs Sicht gebe es nur Stimme und Gegenstimme, jedoch keine Figuren. Und das sei „Fluch und Segen für das Theater“, nämlich damit umzugehen und Sprache auf die Bühne zu bringen, so die Dramaturgin. Es brauche einen großen konzeptionellen Gedanken, um Jelinek-Texte zu visualisieren, also um ein Kunstwerk aus einem Kunstwerk zu realisieren. „Die westliche Welt versucht stets, alles von ihr zu verstehen, so Spohner, „was bei Jelinek jedoch obsolet ist“.

(rh)

Zuletzt aktualisiert: 07. April 2023

IMG_2961.jpg

Bild: Liv Dizinger, Abteilungsleiterin für Strukturpolitik beim DGB-Bezirk Hessen-Thüringen, und Dieter von Lüpke (l.), ehemaliger Leiter des Stadtplanungsamts Frankfurt, sind die Gäste zum Filmgespräch mit naxos-Moderator Stephen Lowry.

Kapitalismus und Marktwirtschaft, Verfall und Wiederaufbau in eine unbekannte Zukunft. Die beiden so unterschiedlichen Städte Bochum im Ruhrgebiet und Detroit im Rust Belt (die älteste und größte Industrieregion der USA, Anm.der Redaktion) haben eine Gemeinsamkeit: Sowohl der Beginn als auch das Ende der Autoindustrie in Bochum wurden in Detroit besiegelt. So zeigt der Dokumentationsfilm persönliche Beschreibungen der Menschen beider Städte, die von „einer groben Wirklichkeit überflutet“ worden sind, so Liv Dizinger. Fruchtbare Strukturen stünden vor dem Untergang von Arbeitsplätzen zahlreicher Menschen mit damit verbundenem Identitätsverlusten. Daher auch die resignative Stimmung im Film, so Moderator Stephen Lowry. Denn so heil sei die Arbeitswelt der Protagonisten nicht gewesen, wie sie im Rückblick behaupten, meinte von Lüpke.

Laut Dizinger steht die Industrie vor gewaltigen Einbrüchen. In Bochum etwa erfolge eine enorme Wirtschaftsförderung mit konkreten Bedingungen, allerdings auch mit Transformationsfragen zu Billigjobs und mobilen Arbeitsplätzen, aber auch zur Absicherung und Altersrente. Deshalb müssten die Menschen vor Ort am Strukturwandel beteiligt werden, durch Qualifizierung und Mitbestimmung. Den Unterschied in der jeweiligen Stadtplanung sieht von Lübke in Deutschland in der Intervenierung gegen den Absturz, wohingegen die USA bei Veränderungsprozessen wie industrieller Verödung nicht eingreife. So sei auch ein gewisses Auf und Ab der Bewertungen von Gebäuden mit staatlichen Mitteln deutschlandtypisch. Insofern seien die USA weniger dynamisch als zum Beispiel Deutschland.

„Neues Bauen neigt sich der Endphase entgegen. Wir müssen mit dem Baubestand leben können, auch und gerade industriell“, sagt von Lüpke. So könne die industrielle Produktion in vorhandene Standorte zurückkehren. Auch müsse das Thema Klimawandelschutzpolitik an Dynamik gewinnen, denn Ressourcen würden nicht länger „so einfach zu bezahlen“ sein. Der Bedarf an Büroräumen werde sich reduzieren, was eine Chance dafür sei, Büros in Wohnräume umzuwandeln. Zurück zum Film: Die High-Tech-Realisierung in Bochum sei jedoch noch nicht vollzogen, so Lowrys Fazit.

(rh)

Zuletzt aktualisiert: 22. März 2023

IMG_2948.jpg

Bild: Anlässlich des Weltfrauentags am 8. März beginnt das Filmgespräch zu „Ladies Only“ um 21.30 Uhr MEZ im naxos-Kino. Per Zoom aus Mumbai um die dortige Zeit von 1.45 Uhr zugeschaltet ist Regisseurin Ribana Liz John (Leinwand r.). Zugast auf naxo bei Moderatorin Marianne Spohner (vorn l.) ist Sumeet Anand (vorn r.), Dozentin und General Sekretärin des Vereins Indian Ladies Club, Frankfurt.

„Frisch und groß“, beurteilt Sumeet Anand die Abschlussarbeit von Regisseurin von Ribana Liz John an der Filmhochschule Köln, „weil hier eigenwillige indische Frauen gezeigt werden statt des üblichen Indienbilds von Unterdrückung und Vergewaltigung“. Zudem in schwarz-weiß gedreht, so John, sei der Film in der Essenz des Themas authentischer als der langläufige Eindruck der westlichen Welt, Indien sei bunt: „Ich habe entschieden, Frauen zu zeigen, die nicht nur Passagiere in den Zügen sind, sondern dort auch unter anderem als Händlerinnen arbeiten“. Anand bestätigt, dass Frauen in Mumbai und den Großstädten selbstbestimmter agierten als den Provinzen, jedoch nicht unbedingt den gesellschaftlichen Durchschnitt indischer Frauen repräsentierten.

John wollte die Ängste und Wut indischer Frauen dokumentieren, deshalb ihre Fragen nach der Kultur und Stellung der Frauen, denn Metros in jeder Großstadt verfügten über geschützte Frauenabteile. Dort gebe es Diskussionen untereinander, es werde auch gegessen, getrunken, gespielt und gesungen, so Anand: „Jede Person war für sich komplett, weil sie hier geschützt ist“.

Die Idee, Frauen ausschließlich in den Metros zu interviewen, kam John mit der Frage, was passiere, wenn sie mit Kamera und Mikro in die Frauenabteile gehe: „Die Frauen waren sehr bereit, mir ihre Vorstellungen über das Leben vorzustellen“. Bildung sei dabei ein großes Thema, hatte Spohner wahrgenommen. Vor allem die Unter- und Mittelschicht habe erkannt, dass gesellschaftlicher Aufstieg in eine höhere Kaste nur über Bildung möglich sei, bestätigte Anand. Auch Sport bilde für Frauen eine Möglichkeit gesellschaftlichen Aufstiegs, etwa im Cricket , Hockey oder body lifting. Derartige Engagements vermittelten Selbstbewusstsein durch Stärke.

Spohner sprach die Behandlung des Themas Freiheit im Film an, woraufhin Anand meinte, Freiheit der Frauen bedeute zum Beispiel die Entscheidung, eine individuelle Auswahl zu treffen, etwa zwischen Heirat und Selbstständigkeit, verbunden mit individueller Berufswahl. Dahin gehe auch die aktuelle Entwicklung.

(rh)

Zuletzt aktualisiert: 08. März 2023

25.01.2023:


Wir haben einen neuen Vorstand. Einstimmig gewählt:

Christina Budde, Ruth Fühner, Irmgard Stricker (Finanzen)

Zuletzt aktualisiert: 19. März 2023

 Dieses Zitat von Gregor Gysi stelle ich voran.
 
Die Filmvorführung musste leider abgebrochen werden, da die Vorführ-BluRay defekt war.
 
Ein paar Fragen sind mir vorab von Dirk Szuszies beantwortet worden.
 
"Hallo Wolfgang,
wir müssen uns kurz fassen, wir haben sehr viele Veranstaltungen
vor uns."
 
Wie seit ihr auf Walter Kaufmann aufmerksam geworden und wie habt ihr ihn kennen gelernt?

"Als Wessis kannten wir Walter Kaufmann nicht. Im Jahr 2000 kam er, angekündigt als Filmkritiker,
zu der Premiere unseres Films "Die Letzte Mahadevi" in ein Berliner Kino. Er stellte sich uns nach der Vorführung selbst vor, stellte mehr als kluge Fragen, imponierte uns.

Seine Rezension machte einen tiefen Eindruck auf uns, weil sie außergewöhnlich gut
formuliert war. Dann erschien ein großer Artikel über sein neues Buch im Berliner
Tagesspiegel, wir waren elektrisiert und begannen, seine Bücher zu lesen.
Wir suchten den Kontakt zu ihm, er wohnte in Berlin Mitte am Märkischen Ufer,
wir in Kreuzberg am Oranienplatz, kaum ein Kilometer Luftlinie entfernt voneinander.
Wir lernten uns kennen und schätzen.
Lange verfolgten wir die Filmidee. 2010 entstanden in Berlin Kleinmachnow die ersten
Aufnahmen noch mit seiner zweiten Frau Angela Brunner in Kleinmachnow.
Aber kein Filmförderer war bereit, diesem Filmprojekt Mittel zu gewähren.
Und wir arbeiten aus Prinzip nicht mit den Fernsehanstalten.
Die Verantwortlichen von 1700 Jahre Jüdisches Leben erfuhren 2019 von unserem
Filmvorhaben und finanzierten als Hauptförderer das Filmprojekt. Aber wir selbst steuerten
erhebliche Eigenmittel aus den Mitteln der Referenzförderung hinzu, die wir für unseren
Film "Wir sind Juden aus Breslau" erhielten."

Welches ist in eurem Film der Schlüsselmoment -  seine wichtigste Prägung?
 
"Schwierige Frage, weil es im Leben von Walter Kaufmann unendlich viele
Schlüsselmomente gibt....
Abschied von den Eltern in Duisburg
Deportation auf der Dunera nach Australien
Rückkehr nach Deutschland, Entschluß, in der DDR zu leben und und und...
Geprägt wurde er von dem Verlust der Eltern, ein niemals bewältigtes Trauma,
von seinen Jahren in Australien, wo er als überzeugter Kommunist als Hafenarbeiter,
Seemann und beginnender Schriftsteller seine entscheidenden Impulse erhielt.
Immer wieder zeigte er uns in Berlin seinen australischen Paß, der sei sein Garant
für die Freiheit. Und geprägt haben ihn als Weltbürger natürlich all seine erstaunlichen
Erfahrungen in aller Welt."
 
Wie ist eure Meinung, ob er das Leben in der DDR zu positiv schildert?

"Die Filmsequenz, in der die Rückkehr von Walter Kaufmann 1955 nach
Duisburg gezeigt wird, ist für uns entscheidend bei der Frage, warum er sich
bewußt für ein Leben in der DDR entschieden hat. Er ist nie in die SED eingetreten,
er hat sich nicht von der Stasi anwerben lassen. Er hat niemanden verpfiffen oder
angeschwärzt. Und ja, er war kein entschiedener Oppositioneller in der DDR.
Für uns absolut nachvollziehbar. Die DDR war ihm keine Heimat, er war ein Rastloser,
der in die Welt wollte. Wir sind nicht der Auffassung, daß er im Film das Leben in der
DDR zu positiv schildert. Er war als Holocaustüberlebender ein gewiefter
Überlebensstratege, seine Zeit in der DDR kann nur im Gesamtkontext seines
viel größeren Erlebenshorizontes betrachtet werden. Und als Info: Christa Wolf
war als IM auf Walter Kaufmann angesetzt, das war ein dicker Skandal, aber für
Walter Kaufmann war das nicht wichtig, er wollte das nicht im Film erwähnen."
 
Wie gestaltete sich die Arbeit in den Archiven? 
 
"Wie immer ist die Arbeit in den nationalen und internationalen Archiven
zeitintensiv. Wir wollten aber unbedingt durchgehend im Film diese Ebene
der historischen Archivaufnahmen durchziehen.
Das Wichtigste dabei: wir erhielten von Walter Kaufmann die Erlaubnis,
seinen gesamten Nachlaß (Vorlaß) in der Staatsbibliothek Berlin einzusehen
und zu benutzen. Dort entdeckten wir zum Beispiel die für den Film
unglaublich wertvollen Briefe der Eltern von Walter an ihren Sohn und die
Briefe, die Walter Kaufmann von Kuba an seine schwangere Frau Angela
Brunner schrieb."
 
Wie hat sich Corona für die Arbeit am Film ausgewirkt?
 
"Anfang 2020 wollten Karin und ich in alle die Länder auf den
Spuren von Walter Kaufmann reisen, die im Film zu sehen sind.
USA, Israel, Japan, Australien.
Selbst gedreht haben wir alles in Deutschland und in Theresienstadt
und Auschwitz.
Corona machte alle Pläne zunichte, wir fanden tolle Kamerafauen und -männer
in allen Ländern, die den Film wichtig fanden und für uns die
Aufnahmen machten. Eine verrückte Zusammenarbeit, die jedoch
den Film gerettet hat.
Corona hat das Lebensende von Walter Kaufmann drastisch beeinträchtigt.
Ein bis zuletzt geselliger Mensch, der stets in Theatern, Kinos, politischen
Veranstaltungen zu finden war, war zuhaus gefesselt.
Er ist nicht an Corona gestorben, aber Corona hat ihm das Lebensende versaut."
 

(gesendet Fr., 23.09.22) 

Webseite von Karin Kaper und Dirk Szuszies: http://www.karinkaper.com/

Webseite Walter Kaufmann der Film: https://www.walterkaufmannfilm.de/

RBB Kulturradio Interview mit Regisseur Dirk Szuszies: https://www.walterkaufmannfilm.de/application/files/8216/3299/9775/RBBKulturradio.mp3

Pädagogisches Begleitheft Filmheft Walter Kaufmann: https://www.walterkaufmannfilm.de/download_file/view/106/215

Im VLB noch lieferbar:

Walter Kaufmann: - "Im Fluss der Zeit - Auf drei Kontinenten". Dittrich Verlag, Velbrück GmbH Bücher und Medien. ISBN: 978-3-943941-58-6
https://www.buchhandel.de/buch/Im-Fluss-der-Zeit-9783943941586

- "Schade, dass du Jude bist - Kaleidoskop eines Lebens". Dittrich Verlag, Velbrück GmbH Bücher und Medien. ISBN: 978-3-943941-89-0
https://www.buchhandel.de/buch/Schade-dass-du-Jude-bist-9783943941890

- "Die meine Wege kreuzten - Begegnungen aus neun Jahrzehnten". Quintus-Verlag. ISBN: 978-3-947215-24-9
https://www.buchhandel.de/buch/Die-meine-Wege-kreuzten-9783947215249

- "Gibt es Dich noch - Enrico Spoon? - Über Menschen und Orte weltweit". edition memoria. ISBN: 978-3-930353-38-5 https://www.buchhandel.de/buch/Gibt-es-Dich-noch-Enrico-Spoon--9783930353385

nach seinem Tod erschienen:

- L. Joseph Heid (Hg.): "Johanna Kaufmann, Sally Kaufmann 'Alles Schreiben hat ja das Ziel, daß wir drei wieder zusammenkommen' - Nachrichten an den Sohn Walter Kaufmann 1939-1943". Klartext Verlag Essen 2021 https://www.buchhandel.de/buch/-Alles-Schreiben-hat-ja-das-Ziel-dass-wir-drei-wieder-zusammenkommen--9783837520972

- Jürgen Seidel: "Begegnung mit einem Jahrhundertzeugen - Walter Kaufmann und seine Bücher". Edition digital. ISBN: 978-3-96521-453-8
https://www.buchhandel.de/buch/Begegnung-mit-einem-Jahrhundertzeugen-9783965214538

https://www.buchhandel.de/buch/Die-meine-Wege-kreuzten-9783947215249

Zuletzt aktualisiert: 09. Februar 2023

haelftederstadt.jpg

Etwa 10.000 Porträts Chaim Bermans auf Glasnegativen sind überliefert. Was erzählen diese Bilder über den, der sie gemacht hat, die Porträtierten, die Zeitumstände? Wo fängt die Überlieferung an, wo hört sie auf. Es wird hier sichtbar animiert-imaginiert.

Pawel Siczek hierzu:
"von den Menschen, von denen ich erzählen wollte, gab es nicht einmal ein Grab (...)
- ihre Gesichter und Namen waren ausradiert.(...)
Insofern grenzt es an ein Wunder, dass die Porträts aus Chaim Bermans Atelier als filigrane Glasnegtive erhalten geblieben sind.
Ich wollte erfahren, wer diese Bilder gemacht und in welcher Welt dieser Fotograf gelebt hat -
und ich wollte diese Welt der Menschen auf den Bildern kennen lernen.

Denn diese Menschen schienen mir so nah, so alltäglich, und gleichzeitig waren sie Wesen einer anderen, nahezu vergessenen Epoche:
Bürger eines Polens, das heute unwahrscheinlich erscheint: Ein Kosmos voll unterschiedlicher Sprachen, Religionen und Lebensweisen,
der über Jahrhunderte den Alltag von Polen bildete und heute so unendlich fern und unwiederbringlich vergangen scheint.

Ich suchte die wenigen schriftlichen Dokumente zusammen
(…) durchforstete die regionalen Museen, Bibliotheken und Archive. Parallel dazu traf ich nach und nach die Zeitzeugen."


Was hält das Publikum von dieser Produktionsweise?:
neben den Klassischen Zeitzeugen, eine imaginierende Animation einzusetzen, die die ungesicherte Überlieferung darstellt,
dann die junge Generation, die das historische Bildmaterial einfügt und in Relation setzt zum Heute.

"So schaut der Film hinter die Oberfläche der Jetztzeit, findet überall Berührungspunkte mit der Vergangenheit, demonstriert mit Poesie und Intuition, weshalb es für eine Gesellschaft (...) so wichtig ist, ihren Werdegang zu kennen."

Und immer wieder die zerbechlichen Glasträger eines brüchigen Zusammenlebens.
Die unbeantworteten Fragen hat uns Pawel Siczek unten beantwortet.

-------------------------------------------------

-> Presseheft RealFiction Filmverleih

-> Rezension in der TAZ vom 05.11.2015

-> Filmkritik Kino-Zeit
-------------------------------------------------

Lieber Herr Voss Vielen Dank für Ihren Bericht. -

Ich bin so hin- und hergerissen bei diesem Film. Wir hätten noch so viel machen können damals. Vor allem fehlen mir die deutschen Zeitzeugen aus der Gegend. Ich habe schließlich zwei von ihnen entdeckt und konnte mit ihnen reden. Aber wir hatten einfach keine Mittel mehr, um mit ihnen zu drehen. Wir waren (wieder mal) hoffnungslos unterfinanziert, und ich musste verschiedene Nebenjobs machen, um den Film fertigzubekommen.

Dann mussten wir mehrere Personen aus der Vergangenheit weglassen, da wir uns weitere Trickfilmprotagonisten nicht leisten konnten. Zwei weitere animierte Gestalten (samt ihren Geschichten) hätten damals etwa 70’000 EUR mehr gekostet, und die hatten wir einfach nicht, konnten auch nicht einsparen.

Den Trickfilm haben wir angewendet, weil es nahezu kein Bildmaterial aus der Gegend gab. Die allermeisten Schriftstücke und Bilder sind im Krieg verloren gegangen. Vor allem durch Brände. Und beim Trickfilm war mir wichtig, dass die Ästhetik sich an der Ästhetik der Gegend orientiert. Und diese ist einfach von naiver Volksmalerei und hölzernen, etwas ungelenken aber doch schönen Gestalten geprägt. Es gab dort keine akademisch geschulten Künstler, sondern Amateurtheater, Bauernmalerei, Stickereien… Aber alles ist an die Orte hinein-animiert, wo es tatsächlich geschehen war.

Das junge Paar - Iwona und Michal - ist auch heute ein Paar. Mit Michal habe ich gerade telefoniert. Sie seien glücklich zusammen, sie leben und arbeiten in Warschau. Michals Fotosammlung wurde vor ein paar Jahren in der Region ausgestellt, dazu wurde auch ein Ausstellungskatalog veröffentlicht (auf polnisch).

Die Zusammenarbeit mit der Shalom Fundation war etwas kompliziert, aber letztlich gelungen und kooperativ. Die Chefin der Foundation hat den Film öffentlich gelobt und ihn im Rahmen der Veranstaltungen der Foundation aufführen lassen. (Von den meisten Aufführungen in Polen erfahre ich kaum etwas, ich höre nur später, Leute hätten den Film da oder dort gesehen.)

Beste Grüsse!
Pawel Siczek

Zuletzt aktualisiert: 14. August 2022

alles-bauhaus-oder-was.jpg

So eindrücklich und lebendig der Dokumentarfilm VOM BAUEN DER ZUKUNFT - 100 JAHRE BAUHAUS die visionäre Stimmung und den Aufbruch der Moderne auch schildert, zweifelte das Filmgespräch doch daran, ob der Film hält, was der Titel verspricht.

Hier der Aufbruch in einen neuen Humanismus, dort das Scheitern der großen Planbarkeit des Menschen. Die Kipp-Punkte dieser Entwicklung fasst der Film zu ungenau.

Starke und überzeugende Impulse durch das Bauhaus, Eingemeindung aber auch alles Modernen unter diesem Label ist ein Stück Anmaßung.

Die Architekturklasse am Bauhaus begann 1927 - da hatte das Team um Ernst May z.B. schon einen großen Teil des NEUEN FRANKFURT vollendet.

Anschaulich wird Ittens Vorkurs nachvollzogen und digital-tänzerisch Kandinskys "Punkt und Linie zu Fläche" transformiert usw. - aber bleibt es nicht doch im Film eben ein zweiter musealer Aufguss? In der so dargestellten Auffassung darf die Moderne nicht altern. Aber sie tut es.

Hier wirklich schlaues Ergänzen von fehlender Infrastruktur in den Slums Südamerikas - dann wieder doch der große weiße Mann, der weiß, was gut ist für's gemeine Volk.

Die Wirkung, die das Bauhaus in der Welt hatte nach seiner Auflösung wird spannend beschrieben, fehlt aber doch so ein naheliegendes Beispiel wie die HfG Ulm und die Unterscheidung, wer sich tatsächlich in diese Tradition stellt.

Was wurde aus allem? Lassen sich Fehlplanungen wie die AUTOGERECHTE STADT endlich und wie überwinden? Für Frankfurt gefragt: ERNST MAY - UND WAS DANN?

So wird ein wichtiger Fehler zwar benannt: Zukunft ist nicht wirklich planbar! - aber letztlich tappt dieser Dokumentarfilm doch wieder in diese Erzählfalle.

Beispiele aus Offenbach ("Arrival City") und Frankfurt aus dem Publikum stimmen dann positiver, zeigen, dass Planlosigkeit und das Projekt der Moderne sich doch noch manchmal finden...

 

Zuletzt aktualisiert: 27. Juli 2022

2022-07-19.jpg

Das Filmgespräch musste leider ohne unseren Gast Prof. Beutelspacher stattfinden.

Daher ging es also recht wenig mathematisch zu.

Das Werk Maurits Cornelis Eschers (1898 - 1972) gliedert sich lt. der offiziellen Homepage in folgende Abschnitte:

- Jugendwerk
- italienische Periode
- Schweiz und Belgien
- Zurück in Holland
- Anerkennung und Erfolg

Die Themen:
- Mathematisch
- unmögliche Konstruktionen
- Symmetrie und Unendlichkeit
- Metamorphosen

Techniken:
- Holzschnitt
- Holzstich
- Lithographie
- Mezzotinto
- Radierung
- Linoliumschnitt
- Wasserfarben

319 Ausstellungen fanden zu seinen Lebzeiten statt. 448 große Werke und ca. 2000 Zeichnungen sind überliefert.

Escher war kein Mathematiker der Formeln sondern eher ein geometrischer Konstrukteur der Lösungsansätze philosophischer Probleme.

Zu sehr zwingt der Film das Werk in die zeitliche Folge der erzählten Biografie.

Wir vermissen vor allem seine Auseinandersetzung mit seinen Zeitgenossen vor allem Rene Magritte. Auch über die Beziehung zu seiner Frau das gemeinsame Leben hindurch erfahren wir nicht genug.

Escher macht seine Täuschungen in der Konstruktion sichtbar und nachvollziehbar. Dies unterscheidet ihn von der verrätselten Kunst der Zeitgenossen des Syrrealismus.

    "Das man eine Täuschung mit einer nachvollziehbaren,
     spielerischen Verbindung zur Realität ausführt"

Ein schnell gebasteltes Möbiusband ermöglichte dem Publikum, ein Stück Unendlichkeit mitzunehmen für die Gute Stube...

Unendlichkeit to Go gibt's nur beim naxos.KINO 



Zuletzt aktualisiert: 08. September 2022

2022_07_12pommern.jpg

Vielfältige Stimmen zu dem vergessenen Thema:
die Folgen des nahezu vollständigen Bevölkerungsaustausches und die Verschiebung der Grenzen im polnischen Teil von Pommern nach dem 2 Weltkrieg.
Hochgradig poetische Bilder zwischen den Interviews.
Form und Inhalt des Dokumentarfilms „Es war einmal Pommern“ wurden in einem ausführlichen Publikumsgespräch erörtert.
Über die rege Resonanz zu diesem Nischenthema waren erstaunt und erfreut: der Filmemacher Michael Majerski, Andrzej Kaluza vom Deutschen Poleninstitut und als Moderator vom naxos.KINO Wolfgang Voss

Homepage Michael Majerski: https://arkonafilm.de/de/filme.html

Gedicht aus dem Film „Es war einmal Pommern“


„Pommern, Ostwind“
Der Himmel hängt tief über Pommern und die Wege sind weit.
Der Wind, gesät von Wahnsinnigen bläst unbändig, mal von hier mal von dort.
Nur nachts bleibt er kurz stehen und ruht sich aus, versteckt in der Vorstadt oder in den Schatten der pommerschen Dörfern. Pst. Pst.
Und wartet geduldig. Mit Morgengrauen sammelt er dann über den Dächern noch freischwebende Gedanken bevor sie den Weg in ihre noch schlafenden Körpern zurückfinden. Und streut sie, mal hier mal dort.
Daraus entstehen neue Lieben, Sehnsüchte, Begierden. Oder Böse. Dann wütend bricht
Bäume, zerrt Menschen aus ihren Häusern auf Wege ins Nirgendwo und jagt sie, von Ost nach West. Ostwind.
Müde, hält an. Manchmal lässt er sich dann sogar zähmen. Verwundet bleiben die
Menschenkolonnen auf den Wegen stehen, halten an, schauen sich um. Pst. Pst.
Und fangen das Leben von vorne an. Mal hier, mal dort.
Bis der nächste Krieg kommt.


Auf polnisch:
„Pomorze, wiatr od wschodu”
Nisko wisi niebo nad Pomorzem, nad jego drogami, po których raz stamtąd raz stąd wieje zły wiatr zasiany przez szaleńców. Jedynie nocą przystaje i odpoczywa schowany na przedmieściach miast i w cieniach pomorskich wiosek. Cicho, sza
I cierpliwie czeka do brzasku. A potem zbiera te wszystkie zbudzone myśli zanim wrócą do swych śpiących ciał i rozsiewa po pomorskich drogach, albo gubi nie wiedząc gdzie. To tu, to tam.
Rodzą się wtedy nowe miłości, pragnienia i żądze. A czasem zło. Wtedy wiatr z wsiekłością łamie drzewa, porywa ludzi, wypędza ich z domów na drogi do nikąd. I gna ze wschodu na zachód. Ostwind.
Kiedy zmęczony przystaje, cichnie, a nawet czasem daje się obłaskawić. Wtedy zatrzymują się zdumione pochody wygnańców. Cicho, sza. Zaczynają nowe życie, to tu, to tam.
Aż do nowej wojny.


Homepage Deutsches Poleninstitut: https://www.deutsches-polen-institut.de/

Ausblick auf das Film-Herbstprogramm des DPI. Hier eine kleine Auswahl :

Donnerstag, 6. Oktober 2022, 20:15 / programmkino rex
FilmFokus Ukraine: "Maidan"
Ein Film von Sergei Loznitsa (UKR 2014, 133 Min. OmeU), Einführung: Andrzej Kaluza

Donnerstag, 13. Oktober 2022, 20 Uhr / programmkino rex
FilmFokus Belarus: "Courage" (rexFilmGespräch)
Ein Film von Aliaksei Paluyan. Vorführung im Beisein des Regisseurs (DE 2021, 90 Min., OmU). Einführung und Moderation: Andrzej Kaluza

Zuletzt aktualisiert: 11. August 2022

IMG_20220628_222914.jpg

Auf dem Foto von links: Sophia Edschmid, Leiterin des "Atelier Goldstein" und der Künstler Julius Bockelt sowie die Moderatorin Heike Rösch vom naxos.Kino

Zuletzt aktualisiert: 08. September 2022